Mitten in der Nacht öffnete sich mit einem Höllenlärm die Haustür. Platzte fast aus den Angeln und knallte gegen die Wand. Niemand war zu sehen. Nur Nebelschwaden, dick wie Baumwollklumpen, waberten durch den Türspalt in den Flur hinein. Plötzlich, vom Wind getrieben, schlossen die Türen wuchtig wieder.
Ian, ein junger Mann, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Tür. Eine kalte, klammige Angst überkam ihn, legte sich wie eine eiskalte Decke über seinen Körper. Mit zittrigen Händen griff er nach seinem Handy, aber es war tot. Alle Geräte in seinem Haus waren auf einmal tot: sein Computer, sein Fernseher, sogar seine Armbanduhr zeigte zwölf Uhr null null.
Die Stille des Hauses wurde von einem Wispern vertrieben, das leise, kaum hörbar aus dem Nebel zu kommen schien. Es war eine Sinfonie von Stimmen, die flüsterten und seufzten, die schrien und winselten. Manchmal warfen sie Fragen in die Dunkelheit, manchmal sprachen sie in Sprachen, die Ian nicht kannte. Sie schienen ihm Geschichten zu erzählen. Geschichten von Schmerz, Verlust und tiefer Traurigkeit. Geschichten, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Ian fand sich unerklärlicherweise im Flur wieder, direkt vor der Tür. Wie durch einen Sog gezogen, hob er langsam seine Hand und berührte den kalten Metallknopf der Tür. Die Stimmen waren jetzt noch deutlicher, fast so, als würden sie direkt in seine Gedanken sprechen, als würden sie ihm Befehle zuraunen.
„Öffne die Tür“, sagten sie, und obwohl jeder Instinkt in ihm schrie, nicht zu folgen, drehte er den Knopf und schwang sie auf. Der Nebel umhüllte ihn sofort, verstärkte das Gefühl der Isolation. Die Stimmen waren jetzt so laut, als ob sie ihm direkt ins Ohr flüsterten. Eine der Stimmen klang vertraut. Es war seine Mutter, die seit drei Jahren tot war. Sie rief nach ihm, flehte ihn an: „Ian, bitte, komm zu uns.“
Er schreckte zurück, rammte mit dem Rücken gegen die Tür und keuchte vor Angst. Die Nebelschwaden zogen sich zurück wie eine hungrige Kreatur, die ihrer Beute erstmal Raum gab. Die Stimmen flüsterten weiter, erzählten ihre Geschichten, erinnerten an ihren Verlust. Sie waren verzweifelt, traurig und wunderschön in ihrer Melancholie. Er konnte jetzt klar seine Mutter hören, die nach ihm rief. Sie bat ihn, sie neu kennen zu lernen, sie erzählte ihm von einem Ort, an dem es keinen Schmerz, keine Einsamkeit gab.
Ein tiefer Atemzug, und Ian trat vor, den offenen Raum umarmend. Er fühlte den Halt unter seinen Füßen schwinden, seine Sinne verschwammen, während die Stimmen lachend, weinend, jubelnd immer weiter in ihm aufstiegen, ihn umhüllten. Sie begrüßten ihn in ihrer Mitte, erzählten ihm von der Freiheit, dem unendlichen Wissen, dem Licht.
Und dann… war Stille. Nur das Ächzen des Hauses in der kalten Nacht und die obskure Präsenz des Nebels waren noch geblieben. Die Tür stand noch immer offen, doch Ian war nirgendwo zu sehen. Nur sein leeres Haus und das Wispern, das noch in den Ecken hallte, waren Zeugnis einer Begegnung, die in der kalten, nebligen Nacht stattfand.