Es war eine Woche her, seit Alice in die kleine Wohnung im Herzen der Stadt gezogen war, voller Hochspannung und Aufregung, ihre neue Freiheit zu genießen. Sie liebte ihr neues Zuhause. Es war komfortabel, modern eingerichtet, mit kühlen Grautönen und knalligen Akzenten. Ein großer Glasbalkon öffnete den Blick auf die belebte Straße unten. Alles schien perfekt, bis die Geräusche begannen.
Mitten in der Nacht, gerade als Alice in den süßen Schlaf zu versinken schien, hörte sie ein kaum merkliches Kratzen, gefolgt von einem leisen Flüstern. Anfangs schien es, als käme es aus der Ferne, kaum hörbar, aber mit jedem Tag wurde es lauter und näher. Sie schrieb es auf Schlafmangel und Stress. Ein Problem, das sich von selbst erledigte.
Aber es tat es nicht. Das Flüstern wurde intensiver, drängender, wie die Stimmen hunderter Menschen, die gleichzeitig sprachen. Die Geräusche krochen über die Wände, quollen aus den Lüftungsschächten und schienen sich zu Alice zu bewegen.
Tage vergingen, und Alice konnte diesen unerklärlichen Geräuschen nicht entkommen. Sie erzählte ihren Freunden davon, die sie verwundert ansahen. Sie lachten und schoben es auf ihr Nervensystem. Alice versuchte, dem zuzustimmen, doch insgeheim wusste sie, dass da etwas nicht stimmte.
Eines Nachts, als sie alleine auf ihrem Sofa saß und einen Horrorfilm sah, wurde plötzlich jeder Laut von außerhalb des Films stumm. Ihr Atem, der knisternde Kamin, sogar der pulsierende Schlag ihres eigenen Herzens waren wie ein erloschener Stern. Es war dieses Flüstern, es lähmte alles andere. Sie fühlte, wie ihr Blut sich zu Eis verfestigte, während ihre Augen ziellos durch den Raum huschten. Es drängte, es flüsterte, und dieses Mal konnte sie Worte ausmachen.
„Alice, komm… aus dem Licht… komm zu uns…“, wieder und wieder, bis es in ihrem Kopf hallte, bis es ihr eigenes Denken ertränkte. Das Flüstern war flehentlich, es schmerzte, und Alice konnte nicht anders, als zuzuhören.
Sie fand sich auf dem Balkon wieder, von wo aus sie einen klaren Blick auf die dunkle Straße unten hatte. Das Flüstern wurde lauter, unerträglich, ihre Hände schlossen sich um das Geländer. Das Flüstern hallte immer wieder in ihrem Kopf: „Spring, Alice… Komm zu uns… Spring…“. Der starke Drang zu springen, ihn zu umarmen, wurde mit jeder verstreichenden Sekunde größer. Das Licht von der Straße unten wirkte seltsam tröstlich
Genau in diesem Moment, als das Grauen ihre Sinne erfasst hatte, läutete ihr Handy. Es war eine Freundin, die zufällig anrief. Das abrupte Klingeln zerriss den tranceartigen Zustand, in den die Stimmen sie gebracht hatten. Sie drehte sich schnell um und eilte ins Haus, das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Sie konnte kaum schlucken, als sie erkannte, wie nahe sie daran gewesen war, sich dem „unsichtbaren Schrecken“ zu ergeben.
Alice zog an diesem Morgen aus. Sie ließ alle ihre Sachen zurück, nahm nur die Schüssel ihrer Schildkröte mit und rannte. Sie musste diesen Ort verlassen, der ihre Vernunft und ihr Leben bedrohte. Sie teilte diese Geschichte nur wenigen vertrauenswürdigen Menschen mit, die sie ernst nahmen. Aber die Frage bleibt, war es Paranoia oder tatsächlich der „unsichtbare Schrecken“, der sie fast in den Abgrund getrieben hätte?
Während Alice heute in einem neuen Zuhause lebt, sicher und weit entfernt von den Schatten der Vergangenheit, steht die Tür der kleinen Stadtwohnung offen, bereit für das nächste ahnungslose Opfer.