Die Nacht hatte ihren mit Schrecken erfüllten Mantel über das kleine Dörfchen Ebbsworth gezogen. In den ländlichen Gegenden von Ebbsworth gab es aufgrund des Fernsehzugangs kaum Unterhaltungsmöglichkeiten für Jugendliche, weswegen die alten Windmühlen zum bevorzugten Treffpunkt wurden. Die Mühlen waren seit Jahren verlassen und dienten nun als Gruseldekor für Mutproben und nächtliche Geschichtsstunden.
An dieser Nacht saßen die vier Teenager Amy, Jake, Clark und Mia bei Kerzenschein in der größten Mühle. Um sie aufzuheizen, erzählte Jake die Legende vom ’schreienden Wind‘, einer Geschichte, in der der Wind um die Mühlen die Schreie von verlorenen Seelen trug. Keiner zweifelte an Jakobs Geschichtenerzählpotenzial, aber die Angst ließ jedes Geräusch unheimlicher wirken. Ein leises Rascheln, ein dumpfes Klappern und darüber hinaus das Heulen des Windes verursachten Gänsehaut.
Dann, inmitten des Sturmes, hörten sie es: ein düsteres und dumpfes Stöhnen, das in einen furchterregenden Schrei überging. Es war kein gewöhnliches Heulen des Windes, nein, es war der Schrei eines Menschen, so klar und deutlich, dass sie alle gleichzeitig den Atem anhielten. Die Kerze erlosch, und sie befanden sich in völliger Dunkelheit. Eine kalte Bö durchzog den Raum und ließ die Haare auf ihren Armen zu Berge stehen.
Mia, die immer die Mutigste war, zündete ihr Telefonlicht an. Sie bewegte das Licht langsam um den Raum und stieß einen Schrei aus, als sie eine düstere Gestalt hängend an einem der Holzträger sah. Es war eine Vogelscheuche, die nur aus alten Lumpen und Stroh bestand, aber ihre furchteinflößende Präsenz dominierte den Raum.
Jake, immer der Pragmatiker, schaute es sich genauer an und stellte fest, dass der Wind durch die Löcher und Risse der Vogelscheuche wehte und so einen schreckenerregenden Schrei erzeugte. Sie waren erleichtert, doch das Gefühl der Unruhe ließ sie nicht los. Es war etwas Furchtbares an dieser Vogelscheuche, das sie alle spürten. Der Anblick und das banale Geheimnis ihrer Angst konnten sie noch zwitschern lassen, doch das Gefühl des Grauens konnte ihnen keiner nehmen.
Sie verließen hastig die Mühle, wobei der Wind ihre angstgefüllten Gesichter schlug. Suchten Zuflucht in ihren Häusern. Doch selbst dort fühlten sie sich nicht sicher. Die Schreie der Vogelscheuche, gespeist durch den heulenden Wind, klangen durch ihre Köpfe und Träume.
Als der Morgen anbrach, waren sie sich sicher, sie hätten alles nur geträumt. Doch als sie wieder zur Windmühle kamen, um ihre Sachen zu holen, war die Vogelscheuche verschwunden. An ihrer Stelle klaffte nur eine erschreckende Leere, und das einzige, was sie zurückließ, waren Spuren eines nächtlichen Schreckens, der trotz seiner scheinbaren Klarheit einen unnachgiebigen Schrecken hinterließ.
Seit jener Nacht bewegt sich ihr Blick bei jedem Windhauch unwillkürlich auf die verlassenen Windmühlen. Das nervöse Lächeln und die scherzhaften Kommentare, die sie über ihre „gruselige Erfahrung“ austauschen, verstecken kaum die Verletzlichkeit, die sie in jener schrecklichen Nacht erlebt haben. Wie kann es sein, dass etwas so Unschuldiges wie Wind und eine alte Vogelscheuche ihnen solche Angst einflößt? Und wo ist die Vogelscheuche nun? Jedes Mal, wenn der Wind heult, hören sie die Schreie wieder und fragen sich, was in dieser Nacht wirklich passiert ist.