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Flüsternder Schrecken

Flüsternder Schrecken

6

Es war ein gewöhnlicher Tag, der typisch zum Ende des Sommers passte. Das Grün der Blätter hatte bereits einen rotbraunen Ton angenommen, und Sanne freute sich auf das knistern der Blätter unter ihren Füßen. Sie war auf dem Heimweg von ihrer Part-time Job in der nahegelegenen Bücherei.

Ein Lächeln streifte ihre Lippen, als sie sich dem alten Steegi-Haus näherte. Eingekesselt von großen Eichen und einige Meter vom Strassenrand entfernt, stand das zweistöckige Gebäude eindrucksvoll unter den Schatten der Bäume. Das Haus hatte eine gespenstische Aura, die Sanne immer faszinierte, und sie konnte nicht anders, als hineinzugehen und die einsame Stille zu erkunden.

An dem Tag wagte sie, einen Schritt weiter zu gehen und fasste einen Entschluss, die oberen Räume zu erkunden. Als sie die schmale Treppe hinaufging, bemerkte sie ein leises Flüstern. Es war kaum wahrnehmbar, aber sie konnte es deutlich hören. Sie zögerte einen Moment, doch die Neugierde trieb sie voran.

Das Flüstern wurde lauter, als sie einen kleinen Raum am Ende des Korridors betrat. Der Raum war leer, abgesehen von einem alten Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Sanne näherte sich ihm und als sie ihr Spiegelbild betrachtete, stockte ihr der Atem.

Ihr Spiegelbild flüsterte. Es flüsterte Worte, die sie nicht verstehen konnte, in einer Sprache, die sie nicht kannte. Panik stieg in Sannes Kehle hoch. Sie ängstigte sich, konnte ihre Augen aber nicht vom Spiegel abwenden. Eine unsichtbare Kraft schien sie an Ort und Stelle zu halten, und ihr Spiegelbild flüsterte weiter. Dann verstummte es, und der Raum fiel in eine unheimliche Stille.

Sie stand eine Weile da und starrte auf den unbelebten Spiegel, dann hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie fuhr herum und starrte in die Augen von Frau Steegi. Die alte Frau war fahl und wirkte verängstigt. „Du solltest nicht hier sein“, murmelte sie mit zitternder Stimme. Dann kollabierte sie auf dem Boden.

Sanne kniete hin und rief den Krankenwagen. Sie kümmerte sich um die alte Frau, bis der Krankenwagen eintraf und sie wegtransportierte. Sanne blieb zurück, ihr Herz pochte vor Angst und Verwirrung.

Als sie nach Hause ging, hörte sie das Flüstern in ihrem Kopf weiter, verworren und unverständlich. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf und wachte auf, um das Flüstern noch lauter zu hören. Es war nicht mehr nur in ihrem Kopf, es kam von überall. Sie wusste, dass etwas nicht stimmte.

Sanne bemerkte, dass das Flüstern sie begleitet hatte. Sie hörte es im Wind, in den Bäumen und sogar in ihrem eigenen Atem. Es war, als ob die Welt um sie herum flüsterte, Warnungen aussprach, Geschichten erzählte. Am schlimmsten war das Flüstern in der Stille der Nacht, das sie bis in den Schlaf verfolgte.

Sie fand schließlich heraus, dass sie die einzige war, die das Flüstern hörte. Sie versuchte, es zu ignorieren, doch es wurde immer lauter und immer präsenter. Schlussendlich suchte sie Hilfe bei einem Exorzisten und dieser erklärte ihr, dass Sie durch den Spiegel die Fähigkeit erlangt hatte, die Stimmen des Übernatürlichen zu hören. Sie war ein Medium geworden.

Sanne verstand nun, dass sie diese Fähigkeit nicht loswerden konnte, sie musste lernen, damit zu leben. Sie konnte die Botschaften der Geister hören und fühlte sich verpflichtet, ihnen zu helfen, Frieden zu finden.

Und so lebt Sanne heute, umgeben von ständigem Flüstern. Von einem gewöhnlichen Tag, und einem kurzen Abstecher in das alte Steegi-Haus, ist sie nun zu einer Mittlerin zwischen den Lebenden und den Toten geworden. Sicherlich war das nicht das Leben, das sie geplant hatte, aber sie hatte es akzeptiert. Das ständige Flüstern war nun Teil ihres Alltags, ein Schrecken, der sie in die Knie zwang und ihr doch einen neuen Weg zeigte.

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