Es war spät in der Nacht, der Mond leuchtete ungewöhnlich hell und verfärbte sich langsam in ein tiefes Blutrot. Die Schüler der kleinen Universität saßen beisammen und hielten betroffen inne, von der dunklen Schönheit gefangen. Ein tiefer Atemzug von vor Furcht erstarrt.
Unter ihnen war Sophia, eine Skriptum für psychische Krankheiten von ihrem besten Freund Henry in der Hand. Henry, ein Psychologie-Student, erzählte beiläufig eine alte Legende über den blutroten Mond. Ein Fluch, der denen, die ihn in der Nacht erblickten, grauenvolle Visionen von ihren Ängsten einflößt. Niemand glaubte ihm natürlich, es war eine Universität, kein Supermarktkurzgeschichtenbücherregal.
Die Nacht schritt weiter voran, Trunkenheit und Lachen erfüllten die Umgebung. Doch Sophia fühlte sich befangen, Henry’s Geschichte hallte in ihrem Kopf nach. Die Legende hatte sie dazu gebracht, über ihre eigenen Ängste nachzudenken; die Angst, alleine zu sein, die Angst, verlassen zu werden. Sie konnte nicht widerstehen und starrte auf den rötlichen Mond, vertieft in ihre aufsteigenden Gedanken. Ein flüchtiger Schauer überkam sie, aber sie schob ihn beiseite, lachte über ihre kindischen Ängste und verabschiedete sich von der Party.
Auf ihrem Heimweg wurde Sophia immer uneasier. Sie fühlte sich beobachtet und konnte Schritte hinter sich hören. Sie beschleunigte ihren Schritt, ihren Herzschlag im Ohr. Als sie in ihren Spiegel sah, sah sie eine Gestalt hinter sich. Sie schrie auf und stolperte, nur um sich umzudrehen und niemanden zu finden. Sie hetzte nach Hause und schloss die Tür hinter sich, völlig aus dem Atem.
Sophia fühlte sich sicher in ihrer Wohnung, jedoch konnte sie die aufsteigende Angst nicht abwenden. Sie stieg in ihr Bett, die Decke bis zu den Augen gezogen, aber die Dunkelheit des Raumes erdrückte sie. Sie konnte die Schatten tanzen sehen, als ob sie ihr ins Gesicht lachten. Die Tür knarrte, der Wind heulte und füllte die Stille mit gruseligen Melodien.
Die Dunkelheit wurde immer dichter, die Schatten immer größer, bis sie die gesamte Wand einnahmen. Sie schrie, versuchte sich der lähmenden Furcht zu widersetzen, aber die Schatten krochen näher. Sie konnte flüsternde Stimmen hören, sie riefen ihren Namen, kalt und abschreckend. Sophia griff nach ihrem Handy, um Hilfe zu rufen, doch das einzige, was sie sah, war der reflektierte blutrote Mond auf dem Bildschirm.
Henry erhielt erst am nächsten Tag die Nachricht, dass Sophia die ganze Nacht über hysterisch war. Das Bild des blutroten Mondes hallte in seinem Kopf wider. Er rannte zu Sophias Wohnung, die Tür stand offen, Möbel umgeworfen und die Luft gefüllt mit eisiger Kälte. Sophia lag auf dem Boden, mit erhobenen Händen, als ob sie etwas abwehren wollte. Erschöpft, traumatisiert und matt, aber lebendig.
Die Nacht des blutroten Mondes hinterließ ihre Spuren, auf Sophia, Henry und allen, die davon hörten. War es eine psychische Krankheit, ausgelöst durch Angst? Oder hing es mit dem blutroten Mond zusammen? Die Antwort wurde nie gefunden. Was blieb, war die Angst vor einem rot leuchtenden Mond und eine Geschichte, die noch heute erzählt wird. Ein Gruselfest, eine universitäre Psychologie-Vorlesung und eine gruselige Atmosphäre. Sind sie nicht alle auf ihre Weise verflucht?