jeden Tag eine Geschichte
Dämmerungsschrei

Dämmerungsschrei

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Sie zog ihre Jeansjacke enger um sich, aber die Kälte schien den Stoff durchdringen zu können. Es war die perfekte Unruhe vor dem daran glitzernden Rand der Dämmerung. Jeder krächzende Ruf eines nachtaktiven Tieres hallte durch die Stille und ließ sie zusammenzucken. Sie fragte sich, was sie hierher gebracht hatte, zu dieser verlassenen Hütte. Sie wusste nicht, warum sie es getan hatte, nur dass etwas sehr Tiefes und Dunkles in ihr nach diesem Ort verlangt hatte.

Die Hütte selbst war eine Ruine, ein verwittertes Überbleibsel einer längst vergessenen Zeit. Eingehüllt in den Umhang der Dunkelheit, bewegte sie sich auf das marode Gebäude zu. Kaum hatte sie ihren Fuß über die Türschwelle gesetzt, hüllte eine Kälte, kälter als die außen, sie ein, als ob das Haus selbst sie einsog.

Ein seltsames Summen drang an ihr Ohr, anfangs nicht mehr als ein Flüstern. Es schwoll an und ab, wie das Atmen eines schlafenden Riesen. Irgendetwas war hier, eingebettet in das knarrende Holz und die verbleibenden Möbel. Sie drehte sich um, starrte in die Dunkelheit, die Augen weit aufgerissen vor Angst.

Mit jedem Moment wurde das Summen lauter, der Boden fing an zu vibrieren, die Hütte gab widerwillig unter dem Druck der Schwingungen nach. Und dann, aus dem Nichts, ein Schrei. Nicht irgendein Schrei. Ein Dämmerungsschrei. Der entsetzlichste, herzzerreißendste Laut, den sie je gehört hatte.

Sie quetschte sich gegen die Wand, ihre Hände zitterten, ihr Atem kam in schnellen Stößen. Den Blick fest auf die Dunkelheit geheftet. Ab jetzt konnte sie sie sehen, die dunkle Gestalt, in der Dunkelheit schäumend.

Der Schatten näherte sich stetig. Sie konnte das Knirschen des Kieses unter seinen Füßen hören. Ihre Kehle verkrampfte sich in Erwartung eines weiteren Schreis, doch der Raum blieb still. Angespannt, als würde jeder Moment explodieren.

Als die Gestalt das schwache Licht des frühen Mondes erreichte, erkennen sie das unmenschliche Gesicht, versehen mit tiefen Rissen und Leere, wo einmal Augen gewesen sein mussten. Es war ein Bild des Terrors, das in ihrer Seele nachhallte.

Es senkte den Kopf, fixiert auf sie. Im nächsten Moment füllte ein weiterer Dämmerungsschrei die Luft, und sie wusste, es war vorbei. Sie schloss die Augen und fing an zu beten, etwas, was sie seit Jahren nicht mehr getan hatte. Doch bevor sie auch nur das leiseste Flüstern ausstoßen konnte, wurde sie von der Dunkelheit verschlungen.

Als die Stille zurückkehrte, blieb nur noch die verlassene Hütte, die Stühle, der verstaubte Tisch und der Nachhall… eines Dämmerungsschreis.

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