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Vergessene Wege

Vergessene Wege

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Aaron blickte skeptisch auf die abgelegene Gasse vor ihm. Irgendetwas an diesem Ort schien nicht ganz stimmen. Er stutzte einen Moment, doch seine Neugier trennte ihn von dem gesunden Menschenverstand, der ihm zurief, diese enge, dunkle Gasse zu meiden.

Vorsichtig trat er einen Schritt nach vorn und zog seinen Smartphone zur Taschenlampe. Die Schatten bewegten sich wie heimliche Gestalten, als würde sie das Licht verkömmern und in allen Winkeln verstecken. Gleichzeitig schien die Dunkelheit ihn anzusaugen, als würde jedes Licht verschlungen.

Aaron ging weiter. Ein unerklärliches Ziehen ließ ihn glauben, dass er diesen Weg schon unzählige Male gegangen war. Die verwahrlosten Bruchsteinmauern, das Unkraut, das durch den Asphalt stach und das Echo seiner Schritte, alles wirkte merkwürdig vertraut. Doch sein Verstand weigerte sich, dies zu akzeptieren. Wie hätte er einen Ort wiedererkennen können, den er offensichtlich zum ersten Mal besucht?

Plötzlich erstarrte er. Einige Meter vor ihm, fast komplett von Dunkelheit verschluckt, erhob sich eine Art Torbogen. Er sah alt aus, mit Moos bewachsen und leicht schief. Was hinter dem Tor war, oder vielmehr was es sein sollte, verschwand in einer absoluten Dunkelheit. Aaron fühlte sein Herz pochen. War das die unmittelbare Gefahr, die er zuvor gespürt hatte?

Er überlegte kurz, ob er umkehren sollte, aber irgendwas zog ihn magisch in die Dunkelheit. Also trat er durch das Tor. Kaum hatte er die Schwelle übertreten, hüllte ihn eine Stille ein, die er noch nie erlebt hatte. Jeder Laut, sogar sein Atem und sein eigenes Herzschlag, wurden von der Dunkelheit verschluckt.

Er griff hastig nach seinem Handy, doch es war verschwunden. Panik ergriff ihn. Schweiß brach auf seiner Stirn aus und Aarons Atem ging schneller. Das Dunkle, das Stille, es war zu viel. Er stolperte rückwärts, versuchte verzweifelt den Ausweg zu finden, aber es war zu spät. Die Dunkelheit hatte ihn eingehüllt und er konnte sich nicht mehr orientieren.

Abrupt blieb er stehen. Eine kalte Böe schlug ihm ins Gesicht und instinktiv hob er die Hand, um sein Gesicht zu schützen. Als er die Hand wieder senkte, war das Dunkle verschwunden. Er stand wieder in der unheimlichen Gasse. Das helle Licht seines Smartphones lag wenige Meter vor ihm auf dem Boden.

Aaron atmete schwer. Er konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Vorsichtig hob er sein Handy auf. Die Anzeige zeigte 03:13 Uhr. Wie war das möglich? Er war doch höchstens fünf Minuten in fort gewesen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er musste hier weg.

Als er schließlich aus der Gasse trat und auf die Hauptstraße gelangte, legte sich ein Schleier von Normalität über ihn. Autos fuhren vorbei, Vorbeigänger eilten mit ihren Einkaufstüten davon. Alles wirkte so normal, so alltäglich. Doch irgendetwas war anders. Eine Präsenz, die ihn verfolgte, eine Dunkelheit, die ihn umklammerte. Und im Herz spürte Aaron, dass die Gasse nicht fertig mit ihm war. Sie rief in stiller Dunkelheit, wartete darauf, dass er wieder die vergessenen Wege betritt.

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