Die ruhige Stadt Regensburg hatte an diesem Sonntagabend etwas Seltsames an sich. Die übliche Geschäftigkeit, die ihren Charme ausmachte, war einem stillen Unruhezustand gewichen. Der einzige Ton, der durch die engen Gassen hallte, war das konstante Ticken von hunderten von Uhrwerken aus einem kleinen Geschäft in der Mitte des Marktplatzes. Die Straßen waren verlassen, keine Kinder waren draußen und spielten, keine geselligen Gespräche auf der Terrasse der Bars. Es war, als ob die Stadt einen kollektiven Atemzug hielt, in Erwartung von etwas Undefinierbarem.
Als die Sonne unterging, schien selbst der Himmel nicht seiner üblichen Farbpalette zu folgen. Anstatt sich in ein romantisches Orange zu färben, nahm er einen eigenartig beunruhigenden Lila-Ton an. Die Sterne, die sonst wie funkelnde Juwelen die Nacht erhellen würden, fehlten. Eine dichte, bedrohliche Dunkelheit kroch langsam über die Stadt. Die Bewohner von Regensburg blieben in ihren Häusern, ängstlich vor dem, was draußen in der Dunkelheit lauerte.
Mitten in der Nacht brach das Chaos aus. Ein schiebendes Geräusch durchziehte jeden Winkel, gefolgt von einem infernalischen Heulen. Fensterscheiben zitterten, Türen schwangen auf und zu ohne menschliches Eingreifen. Elektrizität zuckte durch die Luft, sprühte Funken durch die Dunkelheit. Dann brach ein fürchterlicher Wind aus, der alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte. Und dann war da ein Geräusch. Es erinnerte an den verzweifelten Schrei eines verängstigten Tieres, doch es war zu kraftvoll, zu durchdringend, um von einem irdischen Wesen zu stammen.
Das Heulen dauerte nur eine Minute, aber es schien eine Ewigkeit zu dauern. Und dann, genauso schnell wie es gekommen war, endete es. Langsam, ganz langsam, kehrten die Geräusche der Nacht zurück. Das Zwitschern der nächtlichen Vögel, das leise Rauschen des Windes. Alles war wieder normal. Die Fenster stoppten ihr Zittern, die Türen schlossen sich leise. Die elektrischen Funken erloschen und gaben der Dunkelheit wieder Raum. Die Menschen, die sich in ihren Häusern versteckt hatten, trauten sich nach einer Weile wieder heraus. Aber die Atmosphäre war nicht mehr dieselbe. Was auch immer in dieser Nacht geschehen war, es hatte die Stadt verändert.
Im Morgengrauen stand Regensburg in einem unheimlichen Licht. Die Stadt hatte überlebt, ja, aber nicht ohne Spuren. Während die Sonne aufstieg, nahm sie eine gespenstische violette Farbe an. Die Stadt stand still, als ob sie sich ihrer neuen Realität bewusst wurde. Die Menschen trauten sich nicht, laut zu sprechen, aus Furcht, sie könnten das Böse wieder wecken. Die Stille war erdrückend. Und in den Herzen aller lebte die Angst vor dem Schrecken der Abenddämmerung, die in dieser schicksalhaften Nacht über sie gekommen war.
Was genau in dieser Nacht geschehen war, wusste niemand. Aber das leuchtende Lila der Morgensonne zeigte, dass die Natur Regensburgs für immer verändert war. Bei Anbruch jeder Nacht würde nun immer ein Schauer der Angst durch die Bewohner gehen – die Erinnerung an die Abenddämmerung des Schreckens ebenso unauslöschlich wie die schimmernde Farbe, die nun ihre Stadt überzog.