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Tiefseegeheimnisse

Tiefseegeheimnisse

1537

Er war einer der besten Taucher seines Teams, vielleicht sogar der Beste. Max betrachtete das schwarze, klaffende Loch des Meeres vor ihm, sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Die endlose Dunkelheit der Tiefe rief ihn. Er war bereit für den Tauchgang in die Marianengraben – die tiefste Stelle des Ozeans.

Er schüttelte die Gedanken ab und zog seinen Neoprenanzug fest. Sein Team gab ihm die Daumen hoch und er gab das Signal zum Start. Mit dem sanften Surren der Geräte und dem leisen Rascheln der Wellen gegen den Anzug tauchte er in die Dunkelheit ab.

Rund um ihn herum war nur das Blau, das zu tiefem Schwarz wurde, je weiter er sank. Seine Taschenlampe schnitt durch die Dunkelheit, doch sie enthüllte nichts außer dem endlosen, eisigen Wasser.

Nach Stunden in der Tiefe erreichte er den Meeresboden. Aber etwas war anders. Viele Kilometer unter der Oberfläche starrten ihn große, hell erleuchtete Strukturen an. Sie wirkten wie Städte, fein und geometrisch abgestimmt, glänzten unter seinem Scheinwerferlicht. Es glich in nichts dem, was der Meeresboden sein sollte.

Er spürte kalten Schweiß auf seiner Stirn, trotz der Kälte des Wassers um ihn herum. Mit zitternden Händen aus Angst und Aufregung, berührte er die nächste Struktur. Es war glatt und fühlte sich wie Glas an, aber es war fest, härter als alles, was er je berührt hatte.

Als er näher kam, bemerkte er Bewegung in den Gebäuden. Silhouetten bewegten sich durch die Gassen und es schien, als ob sie zu ihm hinaufblickten. Ihre Augen glühten im Dunkeln, ihre Gestalten waren lang und schlank, wie nichts auf der Erde.

Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er schlug panisch mit den Armen, versuchte aufzusteigen, aber etwas zog ihn nach unten. Fremde, tentakelartige Anhängsel wickelten sich um seine Beine und zogen ihn in das Herz der Stadt.

Dann bemerkte er, dass die Umgebungen um ihn herum begannen zu verschwimmen und wiederzukehren. Wieder und wieder. Es war, als ob Zeit und Raum sich krümmten und ihn in einer einzigen Welle der Angst zurückspülten.

Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, konnte kaum atmen. Dann spürte er ein Brennen in seiner Lunge, als ob ihm die Luft ausging. Die Dunkelheit begann von den Rändern her einzudringen, und er wusste, dass das das Ende war.

Seinem Team an der Oberfläche wurde nur sein schlaffer, lebloser Körper entgegengebracht. Seine Augen waren offen, sein Gesicht gebleicht. Sie zogen die Ausrüstung ab und versuchten, ihn wiederzubeleben, aber all ihre Bemühungen waren vergebens.

Es war fast so, als ob er einen Teil von sich dort unten gelassen hätte, in den Tiefen des Meeres. Sie hatten keine Erklärung für das, was passiert war. Sie hatten keine Erklärung für die fremden Gebilde in der Tiefe. Sie hatten keine Antworten, nur Fragen, die sie lieber nicht beantwortet hätten.

In der folgenden Nacht, als der Vollmond auf das Meer schien, war er wieder da, Max, stand an der Reling des Schiffes. Die Crew konnte nur die Umrisse seiner Gestalt sehen und das seltsame Glühen seiner Augen. Mit einem letzten Blick auf sie sprang er zurück in die Dunkelheit des Meeres, das ihn verschluckte, als ob er nieexistiert hätte.

Die Geheimnisse der Tiefsee blieben ungeklärt, genauso wie das mysteriöse Verschwinden von Max. Notizen über seine Entdeckungen lagen unberührt in seiner Kabine. Der Ozean behielt seine Gheimnisse, während die Menschen an der Oberfläche weiter rätselten. Wer weiß, was die Tiefsee noch zu bieten hat…

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