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Die Stimmen unter der Erde

Die Stimmen unter der Erde

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Er erbte von seinem verstorbenen Onkel ein altes, verfallenes Bauernhaus in einem winzigen Dorf mitten in der Prärie. Die Nähe zur Zivilisation war er nicht gewohnt, doch der Drang, seine Malerei in Ruhe auszuüben, trieb ihn dazu, den Schritt zu wagen. Mitten in der Stille jeglicher absurder Fortnite-Spiele und Chatomatensucht anmutend, versprach das Haus eine neue Ära von kreativer Freiheit.

Das Haus war ein klappriges, hundert Jahre altes Gebäude mit zersprungenen Fensterscheiben und einer knarrenden Bodentür, die direkt in den Keller führte. Hungrig nach neuem Material für seine Bilder, öffnete er eines Tages diese Tür. Dabei drangen ihm seltsame Geräusche entgegen, die sich anhörten wie gedämpfte Stimmen; ein dumpfes Murmeln, wie von einem fernen Radiosender.

Er setzte fort, diese Geräusche zu ignorieren, sie abzutun als Launen eines alten, knarrenden Holzhauses. Aber die Stimmen verstummten nicht. Sie wurden lauter, drängender, ihre Flüstertöne wandelten sich in Worte, scheinbar unmögliche Vertonungen. Worte, die keine Menschenzunge sprach, fremde Lautkombinationen, die an ein uraltes Ritual erinnerten. Seine Nächte zogen an wie quälende Alpträume, da die Stimmen ihn in seinem Schlaf störten.

Er versuchte, sie zu zeichnen, diese Stimmen, die ihn nicht in Ruhe ließen, in der Hoffnung, sie so aus seinem Kopf verbannen zu können. Er skizzierte sie als Schatten, als diffuses Licht, als Geisterschemen, die den Raum unter seiner Erde erfüllten. Aber die Bilder hatten keinen Einfluss. Sie brachten ihm vielleicht nur noch mehr Leid. Und dann kam jener Tag, an dem er es endlich verstand. Jene lichtlose Erscheinung, die ihm in einer ruhigen Nacht erschien und ihm das Grauen in die Seele brannte.

Sie waren keine Einbildung. Sie waren nicht Produkte seiner Fantasie, die unter der Einsamkeit litt. Sie waren echt. Sie waren die echten Bewohner dieses Hauses, die geisterhaften Überreste derer, die vor langer Zeit gelebt hatten.

Er hätte Angst haben sollen. Er hätte flüchten, dem Horror der vergessenen Vergangenheit entkommen sollen. Doch wenn man Tag für Tag, Nacht für Nacht mit dem Unfassbaren konfrontiert wird, wendet sich die Angst des Unbekannten zu einer quälenden Akzeptanz des Beständigen.

Er begann, mit ihnen zu kommunizieren. Er versuchte, ihre Geschichten zu erzählen, ihre ängstlichen Lamentos durch seine Bilder zum Ausdruck zu bringen. Er wurde zum Medium, zur Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten, zum stummen Zeugen einer Existenz, die der Zivilisation verborgen bleibt.

Das verfallene Haus stand noch immer im winzigen Dorf mitten in der Prärie. Doch an Stelle der Stille, herrschte in ihm nun die Stimmen der Toten, die Geschichten erzählten, die die Lebenden nie zu hören bekommen würden.

Sie, die junge Generation, die ihr ganzes Dasein in digitaler Knechtschaft verbracht hat, würden sie verstehen? Würden sie die Melancholie der Vergangenheit verstehen, die in den Stimmen unter der Erde eingefangen ist? Er zweifelte daran. Aber er würde weiterhin malen, weiterhin erzählen und weiterhin hören.

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