Mika setzte das Virtual Reality-Headset auf und trat in die virtuelle Welt des brandneuen Horror-Spiels ein, „Dance of the Infinitum“. Auf der elastischen Bewegungsmatte machte sie einige Schritte, um sich an die Umgebung zu gewöhnen. Der Mond schien hell in der lebensecht nachgebauten Geisterstadt, verlassene Saloons und Windmühlen kamen zum Leben, während das unheimliche Heulen des Windes in ihren Ohren hallte.
Das Spiel war durchaus innovativ mit einer Prämisse, die es von anderen unterschied: Mika musste den Geistern in der Stadt durch Tanzen ihre Seelenfrieden zurückgeben. Es war ihre Aufgabe, die vorgegebene Choreographie korrekt zu vollziehen, um die ruhelosen Geister zu besänftigen. Sie tanzte, bis sie vor Erschöpfung zitterte und ihr Herz vor Anspannung pochte.
Mit jedem neuen Level wurde der Tanz komplizierter, die Geister anspruchsvoller und der Druck intensiver. Mika hatte das Gefühl, dass die Linie zwischen Spiel und Realität dünner wurde. Drei Nächte in Folge spielte sie, beeindruckt von der Realitätsnähe der virtuellen Welt.
In der vierten Nacht erreichte Mika schließlich den höchsten Level des Spiels. Eine große Menschenmenge von Geistern hatte sich versammelt. Sie bahnte sich den Weg in die Mitte des Platzes, ihre Hände wurden schweißnass. Der Puls raste, als die Melodie begann und der Tanz startete.
Es war der schwierigste Tanz, den sie je performt hatte. Die Schritte waren schnell und komplex, die Melodie schien sie zu verfolgen. Mitten im Tanz bemerkte Mika plötzlich, dass die Geister nicht mehr nur passive Zuschauer waren. Sie tanzten jetzt mit. Sie spürte ihren Atem, der kalte Schauer lief ihr über den Rücken. Der schwache Schein des Mondes erhellte ihre durchsichtigen Körper, und in ihren Augen sah sie eine Spur von Trauer und Wut. Es war, als ob sie sich beschwert hätten, als ob sie bitter wären, dass sie trotz all der Tänze keinen Frieden gefunden hatten. Ihre Gesten wurden deutlicher, und Mika nahm den verzweifelten Ausdruck in ihren Gesichtern wahr. Ihre Augen weiteten sich vor Angst.
Die letzten Noten des Tanzes spielten, und Mika führte den letzten Schritt aus. Aber die Geister blieb stehen, sie starrten sie wütend an. Der virtuelle Raum schien zu zittern und sie spürte plötzlich, wie ihr Kopf brummte, ihre Sicht verschwamm. Sie riß das Headset ab und atmete keuchend.
Mika warf einen Blick auf den Bildschirm, auf dem „Spiel gewonnen“ aufblinkte, doch sie spürte keine Freude, nur Angst. Sie zog den Stecker, doch die Musik spielte weiter, kaum hörbar, aber deutlich präsent. Sie hörte das Kichern der Geister, fühlte ihre Kälte, sah ihre Gesichter. Nun waren sie auch in ihrer Welt.
Ein Tanz hatte sie von ihrem ewigen Schlaf geholt. Doch es war ihr nicht gelungen, sie zur Ruhe zu bringen. Stattdessen hatten sie einen Weg in die Realität gefunden, einen Weg, den Mika ihnen unbewusst geöffnet hatte. Jetzt konnte sie sie nicht mehr zurückbringen, sie konnte nur das Echo ihrer Trauer und Wut ertragen, die sich in ihrem Wohnzimmer ausgebreitet hatten. Sie waren nicht besänftigt, sie waren wach, und sie waren wütend.
Mit zitternden Händen legte Mika das Headset zurück auf den Tisch. Sie fühlte sich fremd in ihrer eigenen Wohnung, hörte das Wispern der Geister, fühlte ihre kalten Blicke. Sie wusste, dass ihre Nächte von nun an nie mehr ruhig sein würden. Der Tanz der Geister hatte gerade erst begonnen.