jeden Tag eine Geschichte
Ruf der Tiefe

Ruf der Tiefe

3

Ella war schon immer fasziniert vom Wasser. Die endlosen, tiefen Ozeane mit ihren geheimnisvollen Kreaturen und unentdeckten Schätzen zogen sie magisch an. Also war es kein Wunder, dass sie entzückt war, als sie das erste Mal ein altmodisches Tauchgerät auf einem Flohmarkt entdeckte.

Es war rostig und früher als die der ansässigen Tauchschulen, doch sie spürte eine unerklärliche Anziehung zu diesem historischen Stück. Nachdem sie es gekauft hatte, ignorierte sie die Warnungen ihrer Freunde und probierte es gleich am nächsten Tag am nahegelegenen See aus.

Nur mit einer kleinen Lampe und ihrer Neugier bewaffnet, stieg sie hinab in die tiefen, dunklen, unerforschten Gewässer des Sees. Sie war sich sicher, sie würde Schätze finden, höchstwahrscheinlich alte Münzen oder anderen unentdeckten Müll. Doch was sie wirklich fand, damit hätte sie niemals gerechnet.

Ein tiefer, unheimlicher und zugleich fesselnder Klang drang plötzlich durch ihr Ohrstück. Es war ein Ruf, ein unheimliches Echos, das sie dazu drängte, tiefer und tiefer zu tauchen. Während sie dem Klang nachging, fand sie einen abgelegenen Teil des Sees, eingebettet in einem tiefen Graben, den sie vorher nie bemerkt hatte.

In der Dunkelheit strahlte etwas Eigenartiges auf. Sie entdeckte ein riesiges, urtümliches Symbol, das in den Felsen der Schlucht eingraviert war. Obwohl sie nicht verstehen konnte, was das Zeichen bedeutete, zog es sie an. Das Echo wurde lauter, während sie das Symbol berührte.

Keine Minute später fiel ihre Taschenlampe aus, und sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Hand, der sich über ihren gesamten Körper ausbreitete. Ihr Herzschlag stieg, während die Dunkelheit sie einhüllte und das Echos in ihrem Kopf immer lauter wurde.

Aber statt in Panik zu verfallen, fand sie sich überraschend ruhig. Sie konnte jetzt den Ruf verstehen. Es war als ob sie plötzlich eine neue Sprache beherrschte, eine Sprache, die aus der Tiefe stammte. Und mit dieser neuen Fähigkeit wusste sie, dass sie endlich den Schatz gefunden hatte, den sie gesucht hatte – eine Verbindung zu den alten Kreaturen des Meeres.

Doch die Freude verging schnell, als sie spürte, wie ihr Körper sich veränderte. Ihre Lungen füllten sich mit Wasser und sie konnte plötzlich atmen, als wären sie dafür gemacht worden. Ihre Haut fühlte sich schuppig an und ihre Augen sahen in der Dunkelheit klarer. Es war, als ob sie sich in eine Kreatur der Tiefe verwandelte.

Sie versuchte aufzutauchen, doch ihr Körper weigerte sich, ihr neues Heim zu verlassen. Und der Ruf der Tiefe wurde immer stärker. Sie wusste, dass jeder Versuch, gegen den Ruf zu kämpfen, zwecklos war. Sie gehörte jetzt hierhin.

Ella vermied die Oberfläche danach. Sie blieb in der Dunkelheit und lauschte dem ständigen Ruf, der nun ein Teil von ihr war. Wenn Taucher kamen, war sie versucht, sie zum tieferen Wasser zu führen, aber sie widerstand. Sie sah, was der Ruf mit ihr gemacht hatte, und sie wollte niemanden sonst dazu verdammen.

Sie bleibt tief unten, verwandelt und alleine, immer in der Hoffnung, dass jemand den Mut hat, der Dunkelheit zu trotzen und ihr neues Zuhause zu finden. Doch sie weiß, dass sie diese Sehnsucht nie stillen kann, dass es immer nur sie sein wird, die dem Ruf folgt.

So endet sie ihren Tag, jeden Tag, in der endlosen Dunkelheit der Tiefe, immer lauschend. Sie ist nun ein Teil des Ozeans, eine Kreatur der Tiefe, gebannt durch den Ruf, den sie einst aus Neugier befolgte. Doch sie fragt sich manchmal, ob sie wirklich die einzige ist, die den Ruf hört.

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