Tief in den Katakomben der Altstadt, versteckt unter jahrzehntealten Häusern und unberührten Backsteinstraßen, existierte ein uraltes Labyrinth. Ein Ort, den selbst die Einheimischen nur flüsternd erwähnten und der nur den Mutigsten und Verzweifeltsten bekannt war.
Es war Sage, dass jeder, der dieses Labyrinth betrat, mit seinen tiefsten Ängsten konfrontiert wurde. Einige behaupteten, sie hätten darin ihre toten Angehörigen gesehen; andere berichteten von entsetzlichen Monstern und noch mehr verloren einfach den Verstand.
Eines Nachts, getrieben von Neugier und Jugendmut, beschloss Roman, das Labyrinth zu betreten. Bewaffnet mit einer Taschenlampe und seinem Handy trat er in das Dunkel. Die engen Gänge waren feucht und kalt und die Dunkelheit schien jedes Licht förmlich aufzusaugen. Ein funkelndes Echo von Tropfen, die in ferne Pfützen fielen, war das einzige Geräusch, außer dem Schlag seines eigenen Herzens.
Sein Handy hatte keinen Empfang, sein Kompass spielte verrückt. Stunde um Stunde wanderte er umher. Jede Abzweigung, die er nahm, schien nur zu weiteren Gängen zu führen, von denen jeder gleich aussah. Langsam realisierte er: er war verloren in diesem grauenvollen Irrgarten.
Die Dunkelheit begann ihm merkwürdige Streiche zu spielen. Er sah Bewegungen aus den Augenwinkeln, hörte flüsternde Stimmen, die seinen Namen riefen. Seine Furcht wuchs mit jeder neuen Schreckgestalt, die sich aus der Schwärze abzeichnete. Sein Verstand begann zu rutschen, wie ein Stein auf einer eisigen Straße.
Etwas packte plötzlich seinen Arm. Er starrte hinunter und stellte fest, dass es seine eigene Hand war. Panisch rannte er durch den endlosen Tunnel, trieb sich noch tiefer in das Herz des Labyrinths.
Sein Licht erlosch plötzlich und ließ ihn in völliger Dunkelheit zurück. In der Finsternis hörte er das Schnappen von Zähnen, das Rascheln von Schuppen. Geräusche, die seine brutalsten Ängste zum Leben erweckten.
Aber inmitten all dieser Horror war Roman endlich frei. Frei von der Angst, die ihn sein ganzes Leben lang gequält hatte. Er verstand, dass er die Wahl hatte, entweder sich diesen Ängsten zu stellen oder von ihnen erstickt zu werden.
Er atmete tief durch, beruhigte seinen pochenden Herzschlag und sagte entschlossen in die Dunkelheit: „Ich fürchte euch nicht.“ Und merkwürdigerweise, als er diese Worte aussprach, verschwanden die Schrecken. Es war wieder still.
Als er aus dem Labyrinth trat, war der Morgen angebrochen. Er war anders. Stärker. Der Junge, der das Labyrinth betreten hatte, war verschwunden, und an seiner Stelle trat ein Mann heraus, der seine Ängste konfrontiert und besiegt hatte.
Seitdem hat Roman nie wieder das Labyrinth betreten. Aber nicht aus Furcht. Denn jetzt versteht er, dass das wahre Labyrinth nicht unter der Stadt liegt. Es liegt in uns selbst.
Und das Grauen, das in diesen dunklen Gängen lauert, ist nichts im Vergleich zu dem, was wir in unseren eigenen Herzen tragen.
Eine traurige und schreckliche Wahrheit, die uns allen bekannt ist, selbst wenn wir uns weigern, sie anzuerkennen: Wir sind die Monster, die wir fürchten.