jeden Tag eine Geschichte
Abwesenheit des Lichts

Abwesenheit des Lichts

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Sie waren eine Gruppe von sechs Freunden, unterwegs für einen nächtlichen Roadtrip durch das menschenleere Outback. Leere Straßen, so weit das Auge reichte, nur unterbrochen von dem dünnen Streifen des asphaltschwarzen Horizonts und dem leuchtenden Kegel ihrer Scheinwerfer.

Als das Radio unbarnherzig zu rauschen begann und schließlich mit einem letzten Piepston ausging, machte niemand sich etwas daraus. Es war nur ein alter, rostiger Kombi.

Als das Licht der Scheinwerfer flatterte und dunkel wurde, konnten sie ihr Lachen nicht mehr unterdrücken. Sicher, es schien gruselig, aber es war immer noch nur ein altes Auto.

Als dann die Scheinwerfer endgültig erloschen und sie vollständige Dunkelheit einhüllte, wurde das Lachen abrupt unterbrochen. Der Fahrer, Mike, schwor fluchend und tastete nach seiner Taschenlampe im Handschuhfach.

Kaum schaltete er die Taschenlampe ein, leuchtete ein unförmiger Schatten auf. Ein plötzlicher Schreckschrei aus dem Hintergrund ließ ihn das Licht schwenken, doch der Schatten war verschwunden.

Mike versuchte die anderen zu beruhigen, versprach, dass es nur ein Trick des Lichts war. Doch die Spannung im Fahrzeug war schon greifbar, als sich der Kombi in dunkler Ungewissheit weiter vorwärts schlich.

Das Summen des Motors war das einzige Geräusch, das die Nacht durchbrach. Doch plötzlich erstarb dieses Geräusch. Der Wagen stoppte abrupt. Wieder Dunkelheit. Mit weit aufgerissenen Augen, Stille im Wagen, pressten sie sich aneinander.

Die Dunkelheit war nicht gewöhnlich. Es war als würde sie die Luft um sich herum schlucken. Es war eine Dunkelheit, die so undurchdringlich war, dass sie sich in ihre Körper einzubrennen schien. Eine Dunkelheit, die nicht nur das Licht, sondern auch die Hoffnung verschluckte.

Langsam verschwand das vertraute Gefühl im zurückgezogenen Sitz. Raum und Zeit schienen im Dunkeln nicht mehr zu existieren. Die Dunkelheit war jetzt ihr ganzes Universum. Sie versuchten zu schreien, sich zu bewegen, doch es war fruchtlos. Sie waren gefangen in dieser Absenz von Licht. Eine erstickende, allumfassende Dunkelheit.

Dann, nach einer Ewigkeit oder vielleicht nur ein paar Sekunden, kam plötzlich ein grelles Licht an. Ihre Seelen schrien nach Befreiung, nein, nach Erleichterung, doch das Licht war genauso brutal und grell wie die Dunkelheit zuvor undurchdringlich war.

Und dann, so plötzlich wie es einsetzte, war auch das Licht nicht mehr da. Nur Stille. Und Dunkelheit.

Am nächsten Morgen war ein altes rostiges Gefährt gefunden worden, mitten auf einer leeren Straße. Die Suche nach den Stadtkindern wurde eingeleitet, doch sie blieben verschwunden. Ihre Existenz war ausgelöscht worden, zusammen mit der Dunkelheit, die sie mit sich nahm.

Die Athmosphäre der folgenden Nächte war noch dichter. Als ob die Dunkelheit noch immer ihren Sieg über das Licht feierte.

Auch nach dem Verschwinden der sechs Freunde fuhren ab und zu andere durch diesen Teil des Outbacks. Doch sie erzählten alle die gleiche Geschichte: Etwas ist da draußen. In der tiefschwarzen Dunkelheit, die jede Nacht über das Land kriecht. Etwas, das das Licht hasst. Etwas, das in der Abwesenheit des Lichts lauert.

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