Die Nacht ist pechschwarz als sich Lena den Weg durch den verlassenen Park bahnt. Unaufhaltsam flackert ihr Smartphone auf, dann beginnt es zu vibrieren. Eine unbekannte Nummer. Lena zögert kurz, dann nimmt sie das Gespräch an. Statt einer Stimme hört sie einen klagenden Schrei, der abrupt abbricht. Die Leitung wird getrennt.
Ein Kälteschauer läuft ihr über den Rücken. Sie blickt sich im Park um, die Bäume erheben sich wie schaurige Gestalten in der Dunkelheit. Sie beschleunigt ihren Schritt und trifft wenig später atemlos zu Hause ein. Entschlossen schüttelt sie das bedrückende Gefühl ab und geht ins Bett.
Am nächsten Morgen ist der Vorfall fast vergessen. Doch in der nächsten Nacht läutet ihr Handy erneut. Wieder ist es die selbe unbekannte Nummer, wieder ertönt der gleiche, verlorene Schrei. Gänsehaut bildet sich auf Lenas Gesicht und diesmal legt sie nicht auf, sondern redet in das Telefon: „Wer ist da?“
Keine Antwort. Doch der Schrei, er hört plötzlich auf. Abrupt. Als hätte jemand eine Tür geschlossen. Dann Stille. Nach einer gefühlten Ewigkeit legt sie auf, doch der Schrei hallt noch immer in ihren Ohren nach. Es fühlte sich an, als ob er ihr direkt aus der Seele gerissen wurde.
Die Tage vergehen und der Schrei ist alles, an das Lena noch denken kann. Er sexist in ihren Träumen, hallt in ihren Gedanken nach, stiehlt sich in jeden Moment ihres Alltags. Ihre Freunde bemerken ihre Abwesenheit, ihr fehlendes Lächeln, doch Lena kann nur an den Schrei denken.
In der folgenden Nacht, genau um Mitternacht, erhält Lena wieder einen Anruf. Zitternd nimmt sie das Telefon und drückt das grüne Symbol. Der gleiche, klägliche Schrei ertönt und plötzlich erkennt Lena wessen Stimme es ist. Es ist ihre eigene.
Als die Erkenntnis in ihren Gedanken nachhallt, ertönt der Schrei erneut, noch verzweifelter, noch emotioneller als zuvor. Wie ein Echo ihrer eigenen Angst, ihrer eigenen Verzweiflung. Lena kann nichts weiter tun, als das Smartphone weg zu werfen und sich die Ohren zuhalten. Doch der Schrei, er ist in ihrem Kopf, unentrinnbar, allgegenwärtig.
Am nächsten Morgen findet man Lenas Apartment verlassen vor. Alles scheint so, als hätte sie gerade erst das Haus verlassen, ihr Handy liegt zerbrochen auf dem Boden. Wo Lena geblieben ist, weiß niemand. Es bleibt nur die Erinnerung an ihr Lächeln und der verlorene Schrei, der noch immer in den Ohren ihrer Freunde nachhallt. Und in der Mitte der Nacht, wenn alles still ist, kann man den Schrei hören, verloren, kläglich und so verzweifelt, als würde er von jenseits der Zeit und des Raums kommen.