Ein Schrei zerriss die Stille der Nacht, ein Schrei voller purem Schrecken. Dicht gefolgt von einem jähen Knacken, das durch den Wald hallte. Die monotone Stille der Natur wurde verstummt von der Wucht dieser Töne.
Vicky hatte sich in den verwunschenen Wald gewagt. Es war nicht ihr erster Streifzug ins Unbekannte, doch niemals zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, so verloren zu sein. Der Wald schien atmen zu können, die Bäume neigten sich bedrohlich über ihr, als wollten sie Gewalt über sie erlangen. Es war ein wilder und unbarmherziger Ort, kalt und finster bis ins Mark.
Vicky’s Entschlossenheit bröckelte mit jedem Herzschlag. Ihr Atem ging schnell und laut in der stickigen Luft der Nacht. Sie lauschte auf einen Ton, eine Rettung, eine Richtung, doch alles, was ihre Ohren zu hören schienen, war ihr eigener, panischer Herzschlag.
Sie war auf dem Rückweg von einer Wanderung, die sie viel weiter in das Dickicht geführt hatte, als sie es ursprünglich geplant hatte. Der Pfad, den sie kannte, war verschwunden, ohne jede Vorwarnung. Sie hätte umkehren sollen, doch jede Wendung, die sie zu machen versuchte, führte sie nur tiefer in die wirren Wege des Waldes.
Mit der Dunkelheit kam die Furcht. Die Schatten wuchsen und hüllten den Wald in schwarzes Tuch. Jedes Geräusch klang jetzt lauter, bedrohlicher. Vicky’s Herz schlug mit einem tauben Rhythmus gegen ihre Brust.
Und dann hörte sie es – ein Flüstern. Eine kaum hörbare Silbe, die sich in den Wind schmiegte und langsam zu ihr hinüberwehte. Sie konnte nicht einmal sagen, woher es kam oder wer es sein könnte. Sie rief, ihre Stimme zitterte vor Angst, doch das Flüstern antwortete nur, stärker und unbeugsamer und füllte die Nacht mit seinem gespenstischen Lamento.
“Entweiche… Entweiche…“, flüsterte es in ihren Ohren, kroch in ihr Hirn hinein, als würde es versuchen, sich dort festzusetzen.
Sie rannte. Sie rannte so schnell sie konnte, stolperte über Wurzeln und Gestrüpp, ihre Beine tanzten einen wilden Tanz auf dem ungleichen Boden, während ihre Arme ausgestreckt, als wollten sie sich gegen die Dunkelheit wehren.
Endlich, ein kleines Licht in der Ferne. Ein Haus, eine Schutzhütte. Erschöpft und zitternd stürmte sie hinein und warf die einfachen Holztüren hinter sich zu, atmete gegen den dumpfen Klang der einsamen Nacht an.
Ein Blick zurück in die Nacht und der verwunschene Wald stand friedlich in der Dunkelheit, als wäre nichts passiert. Die Bäume standen still, das Flüstern war verstummt. Doch Vicky wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis der Wald wieder lebendig wurde, wieder anfing zu atmen, wieder anfing zu flüstern. Wie viele mehr waren da draußen, verloren in den Wegen, eingeschüchtert vom Flüstern, geängstigt vor der Dunkelheit?
Die Nacht zog heran und mit ihr das Versprechen eines neuen Tages, doch für die, die im Wald verloren waren, war es nur eine weitere Nacht von vielen, eine weitere Probe ihrer Furcht, eine weitere Runde in dem endlosen Spiel des verwunschenen Waldes.