Sie war allein in der leeren, verlassenen Wohnung. Ein minimalistisches Studio im obersten Stockwork eines baufälligen, alten Gebäudes, dass trotz der modernen Aufmachung den Geruch von verrottetem Holz nicht zu übertönen vermochte. Sie konnte von hier aus die ganze Stadt überblicken. Doch das Interessanteste für sie war – die Stille.
Es war 2:45 Uhr morgens, stundenlang in ihrem abgelegenen, halb verfallenen Unterschlupf und doch keine blinzeln von Ermüdung. In diesen Momenten genoss sie die Dunkelheit, die ihr eine merkwürdige Beruhigung verschaffte. Ein Gefühl, das nur wenige zu schätzen wussten.
Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, ihre Augen auf die leuchtenden Sterne gerichtet, die sich gegen die weite Schwärze des nächtlichen Himmels abhoben. Doch plötzlich, ein atemloser Moment – ein Flüstern.
Sie richtete sich auf, lauschte … aber es verstummte. Im Raum, nur ihre schnelle Atmung und das leise Klappern der Heizungsrohre. Sie versuchte das Geräusch einzuordnen, aber es war so flüchtig, so unerklärlich.
Einige Minuten vergingen und das Geräusch blieb aus. Doch dann, wieder ein Flüstern, diesmal deutlicher und intensiver. Sie sprang auf, ihre Augen durchsuchten den Raum. Aber nichts, nur Einsamkeit und Finsternis. Woher kam das Flüstern?
Das Flüstern verschwand wieder, genauso unerklärlich wie es aufgetaucht war. Sie spürte es jedoch, ängstlich und doch fasziniert von der unbekannten Präsenz im Raum. Es war so anders, ungewohnt und doch seltsam vertraut.
Das Flüstern kam und ging im Laufe der Nacht. Es schien mit der Dunkelheit zu spielen, sie zu necken, zu quälen, sie in einen Zustand des Wartens zu versetzen. Aber trotz ihres Unbehagens konnte sie sich nicht von dem Flüstern lösen. Es war wie eine süß bittere Melodie, die sie tief in ihren Bann zog.
Als die Sonne allmählich den Horizont überquerte, blieb das Flüstern aus. Nur Stille und Gelassenheit blieben zurück. Sie sah sich in ihrem Apartment um, fast enttäuscht von der Abwesenheit des Flüsterns.
Aber als sie das Fensterbrett berührte, spürte sie ein Kribbeln. Das Fenster war mit dicken Schichten von Staub bedeckt, dem Zeugnis einer vergessenen Zeit. Sie wischte den Staub ab und enthüllte dort eine eingravierte Nachricht – „Bist Du immer noch dort?“
Sie starrte auf die Worte, auf das Fenster, und hinaus in den wachsenden Tag. Ein Schauer rann ihr über den Rücken. Das Flüstern war von Anfang an kein Geräusch gewesen – es war eine Stimme. Eine Stimme aus der Vergangenheit, die im langen Atem der Zeit nicht ihr Echo, sondern ihre Bedeutung verloren hatte.
Und obwohl das Flüstern nun apaussierte und mit dem Licht fortschwand, schauerte sie noch immer bei dem Gedanken daran. Der Gedanke daran, wer die Nachricht geschrieben hatte und wer es war, der ihr die ganze Nacht geflüstert hatte.