Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag, als ob es erst gestern war: Die Sonne lag hell am Teppich des purpurroten Herbsthimmels, und das fröhliche Vogelzwitschern weckte eine wohlige Wärme in meinem Herzen. Aber diese Normalität sollte bald zerreißen, als aus dem Nichts ein unnatürlich dichter Nebel über unser Dorf hereinbrach. Dies war der Beginn einer Erfahrung, die sich unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt hat.
Es war ein Nebel wie kein anderer; er war schwarz, fast wie pechgetränkte Rauchfäden, die tanzten und kräuselten, bevor sie die ganze Landschaft verschluckten. Innerhalb von Minuten war alles, was wir kannten, in Dunkelheit gehüllt. Vom Rathaus, der Kirche, dem Waldweg bis hin zu den Feldern – alles verschwand. Wir verschanzten uns in unseren Häusern, der Nebel hing wie eine unheilige Vorhängerschaukel vor unseren Fenstern.
Doch dann geschah es. Ein sonderbarer Klang begann – ein Summen, flüsternd, lauter werdend und doch kaum zu Greifen. Menschen begannen zu verschwinden. Der alte Holzfäller, der still in seiner Hütte am Waldrand gelebt hatte. Die Zwillinge aus der Baker Street. Und Margot, die junge Frau, die jedem ein Lächeln schenkte. Eines nach dem anderen, sie verschwanden alle in dieser unheimlichen Schwärze.
Einige berichteten von dunklen Schatten die aus dem Nebel hervorhüpften, kurz bevor die Menschen verschwanden. Andere schworen auf die kalte Bise, die ihnen sanft über den Hals strich, gerade als das Summen seinen Höhepunkt erreichte. Die Menschen verängstigt, aber unfähig zu fliehen – der Nebel hatte uns alle eingeengt, in unserem kleinen Dorf eingesperrt.
Dann war es an einem frostigen Morgen passiert, meine Freundin Eva war nicht mehr aufzufinden. Ihr Zuhause, gerade so ordentlich und lebendig, dank ihrer unruhigen aber fröhlichen Natur, war jetzt nur noch ein stilles, leeres Echo ihrer Existenz. Ein schrecklicher Gedanke kroch durch meinen Verstand – hatte der Nebel sie genommen?
Ich machte mich auf, Eva zu suchen, trotz des allgegenwärtigen Risikos. Mein Herz war voller Furcht, aber auch Entschlossenheit. Als ich den Grenzstein passierte, erinnere ich mich an das prickelnde Gefühl auf meiner Haut, die Eiseskälte, die sich um meine Lungen schloss und das grausige Summen, welches nun in meinen Ohren wahrzunehmen war. Das war der Todesnebel, dessen Opfer ich nun geworden war.
Doch, statt der Dunkelheit die ich erwartete, war da nur Licht. Ein endloses Feld aus schimmerndem Weiß, und in der Ferne, eine Silhouette, die einem Mädchen glich. Es war Eva. Sie drehte sich um, und in ihren Augen sah ich ein strahlendes Leuchten, dass von der sonst so traurigen Stille des Nebels abwich. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und ich wusste, sie war nicht allein. Sie war Teil des Nebels, ein Teil des Todes geworden. Der Nebel war nicht nur Finsternis und Tod, es war ein Übergang.
Ich stand dort, starr vor Verblüffung, während der Nebel langsam abzog und das Dorf wieder in der herbstlichen Sonne erschien. Und ich merkte, der Nebel verschluckte nicht nur, er enthielt auch Geheimnisse, Leben, Mysterien, die wir noch nicht kannten. Der Nebel kam nicht um uns zu vernichten, sondern um uns zu etwas Höherem, zu etwas anderem zu führen. Eine Metamorphose, die flüsternd und doch kraftvoll war.
Seither hat es keinen Nebel mehr gegeben. Das Leben geht weiter, Erinnerungen an die verlorenen Dorfbewohner hinterlassend, eingefangen in den Mauern unserer Herzen. Aber wenn ich jetzt an den dichten, schwarz-pechigen Nebel denke, fühle ich keine Angst. Stattdessen sehe ich das strahlende Leuchten in Evas Augen und weiß, es besteht Hoffnung jenseits der Dunkelheit.