Sie nannten es Todesflüstern. Jeder hörte es, aber niemand wusste, was es wirklich war. Es war ein Geräusch, kalt und vertraut zugleich, etwas, das man nie ganz vergessen konnte. Es flüsterte ihr Name, immer in den ungewöhnlichsten Momenten – auf dem Weg zur Schule, beim Abendessen, mitten in der Nacht.
Annabelle hörte es zuerst, als sie gerade zwölf Jahre alt war. Sie saß alleine in ihrem Zimmer, ihre Gedanken verloren in den Seiten eines Buches, als ein leises Flüstern durch die Stille drang. Es war ihr Name – fein wie ein flüchtiger Hauch, doch unverkennbar. Sie sah sich um, doch nichts in ihrem Zimmer war fehl am Platz.
Die Wochen vergingen, und das Flüstern wurde intensiver, drängender. Es rief sie aus dem Schlaf, störte ihre Träume. Es war da, wenn sie die Augen schloss, und es war da, wenn sie sie öffnete. Es beunruhigte sie, aber sie erzählte niemandem davon, nicht einmal ihrer besten Freundin Emily.
Eines Tages, als sie gerade dabei war, das Gesicht von ihrem Spiegelbild zu wischen, hörte sie das Flüstern wieder. Plötzlich veränderte sich ihr Spiegelbild. Es wurden nicht sie, die sie anstarrte, sondern eine bleiche Gestalt mit leerem Blick und leuchtenden Augen. In dem Moment wusste sie, dass das Flüstern kein harmloses Produkt ihrer Phantasie war.
Vor Schreck fiel sie nach hinten, der Herzschlag hämmerte in ihrem Brustkorb. Sie rannte aus dem Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Den Rest des Tages verbrachte sie in ihrem Zimmer, ihre Gedanken kreisten um das, was sie gesehen hatte. Es war echt. Es war real. Und es war gefährlich.
Die folgenden Nächte waren ein Alptraum. Das Flüstern wurde lauter, dringender. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie die bleiche Gestalt. Jedes Mal, wenn sie in einen Spiegel sah, sah sie die gleiche schreckliche Fratze, die sie anstarrte. Sie versuchte, es zu ignorieren, versuchte, es aus ihrem Kopf zu verbannen, doch es war stets präsent.
Es dauerte nicht lange, bis ihre Freunde ihr Verhalten bemerkten. Sie fragten nach, doch Annabelle konnte ihnen die Wahrheit nicht sagen. Wie konnte sie ihnen von dem Flüstern erzählen, von der bleichen Gestalt im Spiegel? Sie würden sie für verrückt erklären.
Sie versuchte, das Flüstern zu bekämpfen, doch nichts half. Sie eilte von Arzt zu Arzt, nicht wissend, was sie hatten, aber immer in der Hoffnung auf eine Lösung. Doch niemand konnte ihr helfen. Das Flüstern wurde lauter, intensiver, unerbittlich.
Bis zu dem Tag, als sie nicht mehr aufwachen konnte. Sie wurde in ihr Bett gefunden, friedlich schlafend mit einem leisen Lächeln auf ihrem Gesicht. Die Ärzte sagten, sie hätte aufgrund von extremem Stress einen Herzinfarkt erlitten.
Nach Annabelles Tod wurde das Haus verkauft und eine neue Familie zog ein. Und mitten in der ersten ruhigen Nacht hörte das jüngste Mädchen der Familie etwas. Es war ein leises Flüstern…ihres Namens.