Das Haus, in dem Fiona aufgewachsen war, war bei Weitem nicht normal. Es lag am Ende einer düsteren Gasse, die nur spärlich von den rußgeschwärzten Laternen beleuchtet wurde. Das Gebäude bestand aus alten Backsteinen und knarrenden Dielen, doch es war nicht sein tragisches Alterungserscheinungen, das es unheimlich machte. Die Wahrheit war viel gruseliger – Es buzzte und flackerte, atmete und schien zu leben. Zugegeben, es war sogar das Zuhause für einen besonderen „Mitbewohner“. Ein Schatten, der sich nur nachts zeigte.
Mitten in der Nacht hörte Fiona oft ein leises Wispern, das von den Wänden zu kommen schien. Es klang wie das flüsternde Kichern eines imaginären Freundes, das sanfte Wiegen einer unsichtbaren Wiege. Doch sobald die ersten Sonnenstrahlen den Raum durchfluteten, verstummte es. Aber das war lange, bevor die Ereignisse der letzten Nacht stattfanden.
Erst gestern Nacht war etwas völlig Neues passiert – Der Schatten hatte begonnen, zu tanzen. Nicht wie eine Balletttänzerin, eher wie ein Schattenboxer. Schnell und in gebrochener, stoßender Bewegung. Fiona beobachtete es aus dem Augenwinkel, ohne sich zu bewegen. Dann, gegen vier Uhr morgens, hörte der Schatten auf zu tanzen. Er erstarrte und streckte seinen Arm, als wolle er Fiona berühren, doch sie schlief ein bevor sie sehen konnte, dass er es tat.
Heute Morgen war etwas anders. Als Fiona aufwachte, spürte sie eine Kälte um sich herum, intensiver und tiefgehender als alle anderen Male bevor. Sie fühlte sich leer und ausgehöhlt, wie das alte, vergessene Haus. Ihre Mutter bemerkte die Veränderung sofort und brachte Fiona zum Doktor, der keine physische Ursache feststellen konnte. Sie schob es auf Überarbeitung und Fiona kehrte nach Hause zurück.
Als die Nacht hereinbrach, blieb der Schatten still. Kein Tanzen, kein Bewegen, nicht einmal das leise Wispern, das Fiona so oft in den Schlaf gelullt hatte. Und dann, mitten in der Nacht, spürte Fiona eine Veränderung. Ihr Körper fühlte sich schwer und träge an, aber im Geist fühlte sie sich seltsam…lebendig. Hellwach.
Ganz langsam setzte Fiona sich auf. Eine Silhouette spiegelte sich im dunklen Fensterglas – eine bewegte, tanzende Silhouette. Sie hob langsam ihre Hand und die Silhouette im Fenster spiegelte die Bewegung. Fiona stand auf und begann durch das Zimmer zu tanzen, als Spiegelbild der tanzenden Schattenfigur im Glas.
Plötzlich hielt sie inne. Ihr Körper überkam ein Schaudern, kälter als alles, was sie je gefühlt hatte. Im Glas sah sie, wie der Schatten stillstand und ihr ebenfalls schaudernd nachabmte. Sie beugte sich nach vorne, bis ihre Stirn das kalte Glas berührte. Und dann, als ob sie durch die Fensterscheibe hindurchsehen könnte, sah Fiona sie – ihre eigene Gestalt, die hinter ihrem Schatten im Glas tanzte. Wie ein Schattentanz. Sie erstarrte – der Schatten erstarrte – und Fiona fühlte, wie sie in eine unendliche Dunkelheit abrutschte.
Am nächsten Morgen fand ihre Mutter Fionas Körper in ihrem Bett, kalt und leblos. Der Arzt diagnostizierte einen plötzlichen Herzanfall im Schlaf, verursacht durch Überarbeitung und Stress. Niemand anders kannte Fionas dunklen Tanzpartner. Doch im Raum tanzte, neben der leblosen Gestalt Fionas, noch immer der Schatten – flackernd, leise lachend und immer in Bewegung.