Ian saß in seinem dunklen Raum, umgeben von dem gedämpften, melodischen Klicken und Surren seines Computers. Er war ein bekennender Cyber-Nerd und ständig online. Er stolperte über ein seltsames neues Spiel, „Seelensammler“, und sofort fesselte es seine Aufmerksamkeit.
Die dunkle Anziehungskraft des Spiels war unwiderstehlich. Jeder Spieler bekam eine Figur, die durch eine gruslige virtuelle Welt streifte, auf der Suche nach Geistern. Sobald man einen fand, konnte man ihn mit speziellen Gerätschaften „einfangen“. Aber der wirkliche Nervenkitzel begann, als man die eingefangenen Seelen in der digitalen Welt verkaufen konnte. Es war eine Art dunkler, makabrer Spielplatz und Ian liebte es.
Nachte um Nacht tauchte er tiefer in das Spiel ein. Er verlor sich in der grausigen Atmosphäre, die realistischen Erscheinungen und das permanente Unbehagen, das das Spiel vermittelte. Er jagte Erscheinungen, schwebende Gesichter und formlose Schreie – immer auf der Suche nach seinem nächsten hohen Verkauf. Er war gut darin. Zu gut.
Auch seine Träume wurden von dem Spiel heimgesucht. Schauderhafte Visionen, die ihn erzittern ließen. Offensichtlich war die Grenze zwischen der virtuellen Welt und der realen Welt verschwommen. Oder vielleicht war es nur die mangelnde Schlaf, die sein Gehirn trübte?
Eines Nachts, während er auf dem Rücksitz eines verlassenen Autos nach Seelen suchte, merkte er, dass der Sitz neben ihm besetzt war. Der digitale Geist starrte ihn direkt an, seine Augen glühend. Es war seine Mutter. Ian stockte der Atem. Sie war vor fünf Jahren gestorben.
Er konnte es nicht glauben. Sie sah genauso aus wie in seiner Erinnerung – gleichzeitig sehr real und schrecklich unwirklich. Sie schaute ihn an, ihr Blick traurig, ihr Mund bewegte sich, als wollte sie etwas sagen. Und dann – ein Klick. Und sie war in seinem Besitz.
Nachdem er das Spiel verlassen hatte, warf er einen Blick auf das Profil der gefangenen Seele. Der Name seiner Mutter stand dort. Ihr Geburts- und Todesdatum. Ian fühlte sich krank. Es war nur ein Zufall. Es musste sein. Doch tief im Inneren spürte er, dass etwas nicht stimmte.
Gefangen zwischen Schlaflosigkeit und Besessenheit stürzte er sich wieder ins Spiel, jagte mehr Seelen. Doch jedes Mal, wenn er eine gefangen hatte, waren die Profile zu akkurat, zu wirklich. Er fing an, Gesichter zu erkennen – alte Freunde, Nachbarn, sogar seine vermisste Katze Muffin. Herzrasend, schaltete er das Spiel aus und schwor, es nie wieder anzurühren.
Aber die Fragen ließen ihn nicht los. Woher bekam das Spiel diese Informationen? War es nur etwas Paranormales oder steckte mehr dahinter? Er dachte über alle fantastischen und gruseligen Möglichkeiten nach. Doch vor allem quälte ihn das Unbekannte. Was passierte mit den Seelen, die er verkauft hatte? Was passierte mit der seiner Mutter?
Er starrte auf den dunklen Bildschirm seines Computers, gequält und gleichzeitig fasziniert. Und er wusste, dass er keine Wahl hatte. Er musste zum „Seelensammler“ zurückkehren. Doch dieses Mal nicht um zu sammeln, sondern um zu retten.