jeden Tag eine Geschichte
Scherbennacht

Scherbennacht

3

Als sie die Scherben des zerbrochenen Spiegels aufhob, konnte Melissa ihre verdrehten Gesichtszüge in jedem einzelnen Stück sehen. Sie hatte nicht zugeschlagen, sie schwor es. Das Ding war einfach von selbst gesprungen. Fast so, als ob der Spiegel sich nicht selbst reflektieren wollte oder konnte.

Sie ignorierte das unheimliche Ereignis und fegte die Scherben zusammen. Sie fühlt sich dabei unwohl aber versuchte, es abzuschütteln. Schließlich war es nur ein mieser, alter Spiegel, der schon zu viele Jahre, in zu vielen Häusern verbracht hatte.

Es war Abend. Als sie zu Bett ging, war der Himmel dunkelblau, Mond und Sterne glänzten wie helle Scherben am Himmel. Sie schlief sofort ein, aber der Schlaf war unruhig. Nur ein paar Stunden später, wurde sie von einem schrecklichen Alptraum wachgerüttelt.

Melissa fand sich selbst in einem Raum voller Spiegel. Überall hat sie ihre eigenen, deformierten und verdrehten Reflexionen gesehen – viel schlimmer als in den Stücken des zerbrochenen Spiegels. Sie versuchte zu schreien, aber die Schreie waren nur Echoes in dem Raum, der verflucht schien.

Mit einem Schrei wachte sie auf. Sie fühlte sich schwach und sie konnte nicht aufhören zu zittern. Als sie zum Fenster schaute, erschrak sie. In der Dunkelheit der Nacht schienen die Glasscherben mit einem schaurigen blauen Glanz zu leuchten. Sie blinzelte – mehrmals – aber es verschwand nicht.

Früher brav und tapfer, fühlt sie jetzt etwas, das sie nur als pure Angst beschreiben konnte. Sie weiß nicht, warum sie sich plötzlich so fühlt. Sie schaute ein letztes Mal zum Fenster und… gähnte. Sie war immer noch müde. Vielleicht war sie am Ende doch nur übermüdet und bildete sich das alles ein.

Aber als sie in ihrem Bett kuschelte, hörte sie ein leises Knacken aus der Ecke des Raumes. Ihre Augen sprangen auf und sie konnte das Licht der Straßenlaterne sehen, das durch ein Fenster fiel und einen welligen Schatten auf eines der Scherbenstücke warf, die sie anscheinend verpasst hatte.

Ein tiefes Unbehagen ergriff sie, als sie den Schatten auf der kleinen Glasscherbe ansah. Sie versuchte sich zu bewegen, fand sich aber unfähig. Sie konnte nur zusehen, wie sich die Schatten verformten und in der Scherbe reflektieren. So wie sie den Spiegel in ihrem Traum gesehen hatte. Es schien sich zu bewegen, zu leben.

Es tat keine Schritte, machte keine Geräusche, aber es schien ihr etwas zu sagen. Die message, die die Schatten in einem ängstlichen Flüstern zu vermitteln schien, formte sich in ihrem Kopf. Ein Horrorszenario, dass ihr in der Seele wehtat: Angst, Schrecken, Leid und so tiefe Dunkelheit als ob wollte der Albtraum ihr die Augen auskratzen.

Als sie sich endlich bewegen konnte, starrte sie nur auf die kleine, glänzende Glasscherbe und die Dunkelheit, die sich darin reflektierte. Das Grauen, das sie empfand, war überwältigend und versetzte ihren Verstand in einen Zustand der Betäubung.

Irgendwas geschah hier. Und sie wünschte, sie würde nicht herausfinden, was es war. Doch sie wusste, sie konnte nicht entkommen. Sie hatte das Gefühl, als hielte der Albtraum sie in seinen kalten, lieblosen Händen. Fester und fester. Bis es wehtat.

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