Die Unruhe lag über der Stadt wie ein dunkler, bittersüßer Nebel. Die Bewohner bewegten sich gehetzt durch die Straßen, niemand trat mehr in die längst in Schatten getauchten Gassen. An den Toren bildeten sich lange Schlangen derer, die fliehen wollten, ihre Augen erfüllt von einer panischen Angst, die ihnen die Kehlen zuschnürte.
Sie alle kannten die Geschichten über das, was nachts geschah. Offene Türen, die am Morgen verschlossen waren. Verschwundene Gegenstände, die Tage später an unerwarteten Orten wieder auftauchten. Doch es waren die Verschwundenen, die die Menschen wirklich in Furcht versetzten. Einzelne Bewohner, die in der Dunkelheit verschwanden und nie wieder gesehen wurden.
Jede Nacht, wenn die Schatten fielen, wurde ein weiterer Bewohner lautlos aus der Welt gezogen. Keine Spuren, keine Zeugen, einfach weg. Jemand, der noch am Tag ein Teil des Alltagstreibens gewesen war, wurde in der Nacht zum Gespenst, einer Legende, erzählt von flüsternden Stimmen beim Schein flackernder Kerzen.
Der Schattenfall landete mitten in der Stadt, unauffällig und bedrohlich zugleich. Ein schwarzes Loch, das die Dunkelheit in sein Inneres zog und nie wieder freigab. Die Menschen versuchten es zu meiden, doch es schien sie anzuziehen, sie in seine dunkle Tiefe zu locken. Sie spürten es in ihren Knochen, in ihren Träumen, es flüsterte ihren Namen in der Stille der Nacht.
Und doch konnte niemand ihm wiederstehen. Es gab eine unerklärliche Dunkelheit in den Leuten der Stadt, eine Neugierde, die ihnen die Fessel der Angst löste. Sie traten näher, einen Blick in diese unbekannte Tiefe riskierend, nur um für immer darin zu verschwinden. Ihre Schreie erstarben in der Dunkelheit, ihre Verzweiflung wurde zu einem Teil der eindringlichen Stille, die wahre Dunkelheit umgab.
Bis schließlich die letzte Bewohnerin stand, allein mit dem dunklen Nichts, das die Stadt verschluckt hatte. Sie blickte starr in die Dunkelheit, ihr Atem stockte, ihr Herz schlug wild gegen ihre Rippen. Der Schattenflüsterer Kopfschmerz, ihre Muskeln waren verspannt, aber sie konnte sich nicht bewegen.
Und dann fuhr ein Lächeln über ihr Gesicht. Die dunkle Nachtöffnung schien erstaunlich schön in ihrer unendlichen Leere. Ihre Augen weiteten sich, ihre Lippen formten einen Namen. Langsam schritt sie vor, ihre Füße zogen unsichtbare Spuren im staubigen Boden, ein sanfter Wind ließ ihre Haare tanzen.
Und dann, mit einem letzten, siegenden Lächeln, durchbrach sie die Schwelle des Schattenfalls und verschwand.
Am nächsten Morgen brach die Sonne durch die Wolkendecke und erleuchtete ein leeres Dorf. Keine sich öffnenden Türen, kein geschäftiges Treiben, nur der Wind, der durch leere Straßen pfiff und das Echo von verstummten Stimmen und den Eindruck eines Schattens, da wo einst Menschen lebten.