Lana klickte auf den Absatz und stellte die Schriftgröße auf zwölf. Prokrastinieren bei der Doktorarbeit war zur zweiten Natur geworden. Plötzlich wurde ihr Blick von einem Pop-up-Fenster unterbrochen, das in der Ecke ihres Bildschirms aufblitzte – eine neue E-Mail. Es war 23:37 Uhr. Wer sendete ihr um diese Zeit eine Mail?
Es war eine anonyme Mail und der Betreff lautete seltsam – „Drei Fragen“. Lana öffnete die Mail und fand darin nur drei Sätze, jede Frage stand für sich allein. „Warum bist du so allein? Hast du verloren, was dir wichtig ist? Begreifst du den Tod?“
Lana runzelte die Stirn. Ein Spam? Sie löschte die E-Mail und wendete sich ihrer Doktorarbeit zu. Vielleicht war sie einsam, aber sie hatte nichts verloren. Und den Tod? Sie studierte Biologie, sie kannte den Tod nur zu gut.
Das Pop-up-Fenster erschien wieder. Dasselbe anonyme Konto, derselbe Betreff. „Warum bist du so allein? Hast du verloren, was dir wichtig ist? Begreifst du den Tod?“
Ein Schauer lief ihr den Rücken herunter. Sie löschte die E-Mail erneut. Vielleicht sollte sie ihren Laptop ausschalten und sich ausruhen.
Nein. Beim dritten Mal schickte das Pop-up-Fenster einen Schauer durch ihren Körper, der tiefer als Angst ging – es war Verzweiflung, so jung und vertraut. Lana bemerkte, dass die Fragen links auf ihrer Doktorarbeit abgelegt wurden, unterhalb ihrer Hypothesen. „Warum bist du so allein? Hast du verloren, was dir wichtig ist? Begreifst du den Tod?“
Die Dunkelheit draußen wurde dunkler, und die Silhouette ihres Stuhls gegen das Fensterglas schloss sie noch tiefer ein. Lana löschte den Text, löschte die E-Mail, doch die Fragen kehrten zurück, tiefer und dringender. Und immer wieder blieb ein Echo ihrer selbst zurück, das sie leise fragte: „Warum bin ich so allein? Habe ich verloren, was mir wichtig ist? Begreife ich den Tod?“
Sie wusste, dass sie nicht allein war. Ihr Partner dutzende Kilometer entfernt, der sie mit ihrer Arbeit in Ruhe ließ, ihre Freunde, die immer für sie da waren. Sie hatte nichts verloren, warum also diese irrationale Angst?
Beim vierten Mal, als die Fragen auf ihrem Bildschirm auftauchten, war die Panik unerträglich. Lana zögerte nicht, sie riss den Stecker raus, doch der Laptop blieb an. Selbst als die Dunkelheit sie umhüllte, waren die Fragen in ominösem Licht geschrieben. „Warum bist du so allein? Hast du verloren, was dir wichtig ist? Begreifst du den Tod?“
Ein stummer Schrei zerrte an ihren Lippen, als sie die Realität des Kosmos spürte, der in diesen drei Fragen lebte. Sie bekam keine Luft. Das Schlagen ihres Herzens vermischte sich mit dem hämmernden Klopfen in ihrem Kopf. Der Tod. Sie begriff ihn. Sie begriff ihn nun.
Man fand Lana am nächsten Morgen, ihre kalten blauen Augen starr auf ihren Laptop gerichtet, auf dem immer noch denselben drei Fragen aufleuchteten. „Warum bist du so allein? Hast du verloren, was dir wichtig ist? Begreifst du den Tod?“
Der Ruf des Abgrunds hatte sie erreicht und Lana hatte geantwortet. Der Tod war keine Wissenschaft, keine Biologie, sondern ein kosmisches Rätsel, eingewebt in drei unschuldige Fragen, die das Tor zu einem Verständnis öffneten, das niemand lebend erreichen sollte.