jeden Tag eine Geschichte
Nachtwanderer

Nachtwanderer

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Als die Sonne vom Horizont verschwand und Dunkelheit die Umgebung verschluckte, bemerkte Isaac zum ersten Mal die fahlen Silhouetten, die sich durch die Finsternis bewegten. Er verlangsamte seinen Schritt und umklammerte seine Taschenlampe fester.

Er lebte seit Monaten hier. In der Nähe des Waldweges. Ein unterbezahlter Parkaufseher, der in dem kleinen Wächterhäuschen am Rande wohnte. Besucher kamen selten, um die Ruhe der Natur zu genießen. Doch die letzte Woche war mir seltsamen Aktivitäten gezeichnet. Nachtaufnahmen zeigten verwischte, menschenähnliche Umrisse, die durch Bäume wanderten. Isaac entschied, der Sache auf den Grund zu gehen.

Isaacs Augen schmerzten, während sie sich an die Dunkelheit anpassten. Die einzig verlässliche Lichtquelle waren die aufblitzenden Satelliten, die sich ihren Weg durch den Himmelausschnitt bahnten. Seine Schritte knirschten auffällig laut auf dem mit trockenen Blättern bedeckten Weg.

Er bemerkte sie plötzlich. Die Schatten. Sie lagen unbeweglich zwischen den Bäumen, wie Wächter einer anderen Welt. Ihre Formen waren unpräzise, doch Isaac konnte lange Arme erkennen, die fast bis zum Boden reichten. Er musterte sie im Lichtkegel seiner Taschenlampe, doch es reflektierte ohne irgendwelche Details zu offenbaren.

So stand er einige Zeit, in einem Meer aus Dunkelheit und Stille, nur unterbrochen durch das gelegentliche Rascheln der Blätter und das Atmen der Nacht. Er nahm all seinen Mut zusammen und beschloss, sich den Schatten nähern. Schritt für Schritt, vorsichtig, als würde er auf einem Minenfeld wandeln.

Das Knarren der Äste unter seinen Füßen ließ ihn zusammenzucken. Seine Hand strich über die raue Rinde des nächsten Baumes, neben dem eine der Schattenfiguren stand. Die Kälte, die ihm entgegenströmte, ließ ihm einen Schauder über den Rücken jagen. Er streckte seine Hand aus, um die Gestalt zu berühren.

Plötzlich umhüllten ihn kalte Winde und verstummten die Stille. Die Figuren bewegten sich. Sie zogen sich zurück und hinterließen keine Spuren ihres Daseins. Isaac, vom plötzlichen Windstoß überrascht, stolperte und fiel.

Als er nach einigen Momenten wieder auf die Beine kam und seine Taschenlampe einsammelte, sah er sich um. Nichts. Die Nacht war wieder still und die Schatten waren verschwunden. Verdutzt machte er sich auf den Rückweg, tief in Gedanken versunken, mit mehr Fragen als Antworten.

Die Nacht verflüchtigte sich mit dem anbrechenden Tag, als Isaac das Wächterhaus erreichte. Er ließ sich auf sein Bett fallen und starrte, noch immer von den Ereignissen der Nacht geplagt, an die Decke. Die Schatten, die Wächter des Waldes, sie waren wahr. Doch statt Furcht fühlte er ein seltsames Gefühl der Faszination.

Er würde in den kommenden Nächten erneut rausgehen, ihre Anwesenheit suchen, versuchen, ihre Geheimnisse zu entschlüsseln. Denn tief in Isaacs Herzen wuchs der Wunsch, die echte Natur dieser Nachtwanderer zu verstehen. In der Dunkelheit des Waldes, umgeben von Schatten und Sternen, spürte er etwas Unbekanntes, etwas Mysteriöses, das ihn unaufhaltsam anzog.

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