Es war schon spät in der Nacht, als Tom aufwachte. Ein leises Wispern schien aus seinem Smartphone zu kommen. Er nahm es auf. Keine Benachrichtigungen, keine Nachrichten, nichts. Es war aber definitiv sein Smartphone. Das Wispern war jetzt zu einem leichten Singen geworden, melodisch und verwunschene Klänge flüsterten durch den dunklen Raum.
Vielleicht war es eine App, die nur verrückt spielte, dachte er, aber er konnte nicht lokalisierten, aus welcher App das Singen kommt. Mit einem unsicheren Finger drückte er den Ausschalter und legte das Telefon beiseite, schaffte es unter die weiche, warme Decke und drückte sich tief in das Kopfkissen. Aber das Singen hörte nicht auf. Es schien, als würde es jeden Moment lauter werden.
Einige Nächte gingen so vorbei. Das Telefon auszuschalten schien nichts zu bringen. Selbst wenn er es ausschaltete, ertönte die Melodie, jene Melodie, zu der er kein Lied zuordnen konnte. Es klang alt, aus einer Zeit, als die Welt noch in Mythen, Magie und Geheimnissen verstrickt war. Es war beruhigend und gleichzeitig beunruhigend zugleich. Es lockte ihn, wie das Lied einer Sirene den Seemann.
Tom versuchte herauszufinden, woher es kam, verbrachte stundenlang in der App-Verwaltung, sperrte die meisten von ihnen, Doch das Singen blieb unverändert. Es hielt ihn jede Nacht auf, zehrte an seiner Schlafmangel und an seinem Verstand. Er begann Dinge zu sehen, Schatten, die sich in der Finsternis bewegten, Augen, die in der Dunkelheit leuchteten, Formen, die aus dem Nichts auftauchten und verschwanden.
Schließlich, nach endlosen, schlaflosen Nächten, saß er mit zitternden Händen und einem bleichen Gesicht da. Tom entschloss sich, Hilfe zu suchen. Er ging zu einem Handy-Service-Shop und schilderte sein Problem. Der Fachmann ließ sein Lächeln fallen, als er das Lied hörte. „Es ist unmöglich“, stotterte er, „das Handy ist komplett ausgeschaltet. Ich kann keinen technischen Fehler mehr feststellen. Es war, als wäre das Lied ein fester Bestandteil des Telefons geworden, wie ein Geist, der in seiner Hülle gefangen war.
Tom wurde von Albträumen geplagt. Er sah das Lied, das aus dem Telefon schwappte. Es nahm Formen an, groteske, düstere Bilder, die aus den Verse eines unvollendeten Albtraums stammten. Er konnte sich dem Sog des Liedes nicht entziehen. Egal, was er tat, es verfolgte ihn wie ein unausweichlicher Fluch.
Eines Morgens wurde Tom nicht mehr gesehen. Seine Wohnung war leer, außer sein Smartphone, das auf dem Tisch lag. Das Singen war verstummt. Ein nebliges Schweigen hüllte das Haus ein. Er war nirgendwo zu finden. Er schien einfach… verschwunden zu sein.
Das Letzte, was seine Freunde von ihm gehört hatten, war eine Voicemail, die nur das alte, sehnsüchtige Lied enthielt. Ein Lied, das keiner kannte, aber dennoch unerklärlicherweise zu einem traurigen Teil ihrer Erinnerungen wurde. Das Lied hatte Tom genommen, und war dann verstummt, wie ein Raubtier, das nach dem Fressen schläft.
Manchmal, in dunklen, schlaflosen Nächten, hören sie das Lied immer noch, flüstert von irgendwoher, von etwas, das sie nicht sehen können. Sie versuchen, es zu ignorieren, versuchen, das Lied zu vergessen, aber es bleibt. Es ist nur ein Lied, sagen sie sich. Nur ein Lied. Ein Lied aus der Tiefe der Nacht.