Es war späte Nacht, als Luke in seinem Zimmer das alte, verstaubte Radio zum Leben erweckte. Er hatte es vor ein paar Tagen auf dem Dachboden seines kürzlich verstorbenen Großvaters gefunden und wollte herausfinden, ob es noch funktionierte.
Ein monotones Rauschen drang durch das alte Holzgehäuse, es brach hin und wieder in kleinen Stößen ab, die nach Stille schrien. Aber unter dem Rauschen und Knacken verbarg sich eine seltsame Melodie, die wie ein Morsecode klang. Es war, als ob die Klänge aus einer anderen Welt kämen, als ob das groteske, fast gotische Radio sie einfangen würde.
Luke kannte seinen Großvater gut. Der alte Mann könnte doch niemals solch eine skurrile Sendung hören. Mit diesem Gedanken kurbelte er die Frequenz hoch und runter, doch egal was er tat, die seltsame Melodie blieb.
Von der intensiven Untersuchung der Funksignale ermüdet, lehnte er sich zurück und versuchte, die musikalische Linguistik zu entziffern. Eigentlich nur ein monotoner jämmerlicher Ton, doch manchmal änderten sich die Tonlagen und es hörte sich an, als ob etwas in seinem Ohr flüstern würde.
Er konnte Worte und Phrasen erkennen. Er hörte seinen Namen. Luke. Er war sicher. Und dann eine weitere Phrase, die klang wie ‚Geisterstunde‘.
Er war verblüfft. Vor Angst erstarrt saß er da, sein Herz pochte wie wild. Seine Augen weit aufgerissen, fixierten das alte Radio. Er bekam fast keine Luft und sein gesamter Körper schien mit dem rhythmischen Pochen des alten Radios zu schwingen.
Für einen Moment war er versucht, das Radio auszuschalten, es sogar aus dem Fenster zu werfen. Aber etwas trieb ihn dazu, genauer hinzuhören. Die Stimme schien fröhlicher, fast einladend zu werden. Die letzte Phrase, die er ausmachen konnte, war: „Komm und spiel mit uns, Luke.“
Er sprang auf, und in seiner Panik stolperte er über das Stromkabel, wodurch das Radio vom Tisch fiel. Völlige Dunkelheit, als die Glühbirne im Zimmer mit einem leisen Knistern ausging.
Vor Angst nicht imstande sich zu bewegen und mit kaum zu hörenden Beruhigungsversuchen an sich selbst, konnte er seinen nassgeschwitzten Handrücken fühlen, der gegen die kühle Fensterscheibe gepresst war. Und dann hörte er es wieder – die Stimme, aber diesmal nicht aus dem Radio, sondern aus der Dunkelheit seines Zimmers.
Fröstelnd zog er die Vorhänge beiseite. Auf der anderen Seite des Fensters, direkt vor dem alten Baum, der seit Jahrzehnten im Garten des Großvaters stand, tanzten Dutzende von geisterhaften Gestalten. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken herunter.
Sie waren da, spielten und tanzten, völlig losgelöst und fröhlich. Sie hörten nicht auf, wie in einer endlosen Wiederholung. Geister von Männern, Frauen und Kindern, manche weinten, andere lachten, aber alle waren sie da, verloren in der Geisterstunde.
Nach dieser Nacht blieb das Radio stumm. Aber jedes Mal, wenn er das alte Radio betrachtete, dachte er an die tanzenden Geister und verstand, dass es mehr auf dieser Welt gibt, als das bloße Auge wahrnehmen kann. Und immer wenn das Licht im Raum flickerte, konnte er es hören: sein Name, geflüstert aus den Schatten und die Einladung, mit ihnen zu spielen. Die Einladung zur Geisterstunde.