Jackson sah sich um, als er durch die Tore der verlassenen Stadt Oakheart schritt. Der Staub von Jahrzehnten vereinsamter Existenz haftete an jedem Stein, an jedem verlassenen Gebäude, das einst Leben und Lachen erlebt hatte. Doch das Echo dieser Zeiten war nur ein leiser Flüsterton im Wind, verschleiert von den Schatten der Abenddämmerung.
Er wanderte durch die verlassenen Gassen und über die mit Unkraut bedeckten Plätze. Ein zerbrochener Ziegelstein, eine vergilbte Puppe, ein altes, mit Spinnweben überzogenes Fahrrad – Artefakte eines vergessenen Alltags, der nun im Dunkel der Geschichte davonschwebte. Er fühlte eine Präsenz, die er nicht erklären konnte, eine unsichtbare Belastung, die auf diesen Ruinen lag und ins Bewusstsein eindrang. Ein Gefühl, als würden ihn hunderte Augen beobachten.
Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte, in der Mitte der Stadt – die alte Kirche. Der Ort, von dem die Gerüchte in seinem Heimatdorf sprachen. Von Geistern, die in einer dunklen Nacht gesehen wurden, Lichter, die in den Fenstern flackerten, Gebete, die in den tiefen Echos der Zeit hallten. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen öffnete er die knarzende Holztür.
Der Innenraum war so düster wie die Nacht draußen. Ein schmaler Lichtstrahl, der von der zerbrochenen Fensterscheibe einfiel, tanzte auf dem Boden und erleuchtete ein verwelktes Blumenbouquet auf dem Altar. Auf den alten Kirchenbänken lag eine dicke Schicht Staub, die die Namen von liebenden oder gelangweilten Kirchgängern trug, die über die Jahre dort geritzt worden waren. Hier konnte er die Präsenz am deutlichsten fühlen. Die Wandgemälde zeugten von vergangenen Zeiten, lachenden Kindern, verliebten Paaren und verehrten Pastoren. Die Bilder erschienen ihm seltsam lebendig, beinahe, als würden sie ihn direkt ansehen.
Plötzlich hörte er ein leises Flüstern, das allmählich lauter wurde, bis es sich in ein Geräusch verwandelte, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Eine Art Chor, der ein Lied sang, das in den tiefsten Tiefen der Menschlichkeit verankert war, eine Melodie der Trauer und Verzweiflung. Jackson spürte Gänsehaut auf seinem Rücken, als er erkannte, dass die Stimmen aus den Wandgemälden zu kommen schienen.
Er stolperte rückwärts, seine Augen weit aufgerissen vor Entsetzen, als er sah, wie die Gesichter auf den Wandgemälden begannen, sich zu bewegen, zu wimmern, zu weinen. In der Dunkelheit der Kirche hörte er Schritte, leise und weit weg, die näher kamen. Dunkle Gestalten, Schatten ihrer selbst, gepaart mit diesem unmenschlichen Gesang, der in ein erschreckendes Crescendo überging. Sie zeigten auf ihn, flüsterten Worte, die er nicht verstehen konnte, Worte aus der Zeit, als Oakheart noch eine lebhafte Stadt war.
Völlig verängstigt rannte Jackson aus der Kirche, die Geister von Oakheart hinter sich lassend. Die Tür knarrte ein letztes Mal hinter ihm und der Gesang verstummte abrupt.
Er lief die nächtliche Straße entlang, zurück zu dem Tor, durch das er gekommen war. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, sein Atem hatte einen eisigen Beigeschmack. Nur als er die Stadttore hinter sich ließ und die düsteren Konturen von Oakheart in der Dunkelheit verschwanden, beruhigte er sich allmählich und blickte zurück. Keine Lichter. Kein Gesang. Nichts. Als wäre die gesamte Erfahrung nur eine Halluzination gewesen. Doch die schaurige Melodie der Geister lag immer noch in seinem Kopf. Verstummte Oakheart wirklich, oder war es nur eine Pause, bevor sie wieder aufwachte?
Das Licht des Tages würde keine Antworten bringen, aber die Dunkelheit der Nacht kündigte noch viele Geschichten an. Geschichten, die in den Tiefen von Oakheart lauerten, unausgesprochen und dennoch stets gegenwärtig – die Geisterstadt mit ihrer unheimlichen Melodie von Vergangenheit und Ewigkeit.