Als das GPS ausfiel, befand sich Emma mitten im Dickicht eines verlassenen Waldes. Unbekannte Geräusche quollen aus den Schluchten der Dunkelheit und die kalt-silbrige Beleuchtung des Vollmonds durch die Baumkronen verstärkte die Unheimlichkeit der Szene. Ihr Smartphone, ihre einzige Verbindung zur Zivilisation, war blitzschnell von einem durchdringenden Signalstärke-Icon zu einem beunruhigenden, leeren Dreieck geworden.
Nach einigen Sekunden startete sie die inzwischen leere App neu, nur um festzustellen, dass die Kartenfunktion komplett ausgefallen war. Emma versuchte, ihren gescheiterten Sinn für Orientierung angesichts des finsteren, unbekannten Waldes wiederzubeleben und schlug einen Pfad ein, der ihr am vertrautesten erschien.
Allein in der Dunkelheit, zuckte Emma bei jedem Schatten, der sich bewegte, bei jedem Rascheln, das ihre vermeintliche Sicherheit durchbrach. Doch das merkwürdigste an diesem Wald war die Stille. Jeder Schritt, den Emma tat, hallte durch das Dickicht, und auch wenn sie lauschte, konnte sie kein einzelnes Insekt, keinen einzelnen Vogel hören. Nur die dumpfen Schläge ihres eigenen Herzens, das immer schneller gegen ihre Rippen hämmerte.
Nachdem sie sich durch eine Reihe von dicht gewebten Bäumen gekämpft hatte, öffnete sich der Wald und gab den Blick auf eine Lichtung frei. In der Mitte der Lichtung stand ein altersschwacher Spielplatz. Karussell, Schaukeln und Rutsche, einst bunt und einladend, waren nun von Rost überzogen und vom Zahn der Zeit gefressen. Das Holz der Bänke war verfault und das einzige, was noch leuchtete, war das alte, verwitterte Schild am Eingang des Spielplatzes, das ein verblassendes, fröhlich gemaltes Bild von Kindern beim Spiel zeigte.
Ein kalter Schauer lief über Emmas Rücken. Der Spielplatz gehörte nicht in diesen Wald. Er war ein unwillkommenes Relikt, ein Phantom aus einer Zeit, die hier nicht existieren sollte. Doch da war noch etwas Anderes, ein beklemmendes Gefühl von Beobachtung, als ob etwas unsichtbares aus dem Dunkel der Bäume sie anstarrte.
Plötzlich kam ein Windstoß auf und ließ das alte Karussell leise knarrend in seine letzten Runden gehen. Dann war da dieses Geräusch. Ein Lachen – oder hatte sie es sich eingebildet? Emma zwang sich, ruhig zu atmen.
Nach gefühlten Stunden fand Emma den Weg aus dem Wald und erreichte die beleuchtete Straße ihres Städtchens. Erschöpft und erleichtert zugleich, beschloss sie, nie wieder diesen verlassenen Wald zu betreten.
Zuhause angekommen, durchsuchte Emma das Internet nach Hinweisen auf den mysteriösen Wald und den Spielplatz. Sie stieß auf alte Zeitungsberichte über ein Dorf, das einst dort existierte, doch durch eine unerklärliche Seuche ausgelöscht wurde. Der Wald überwucherte schließlich den Ort, verschluckte Häuser und Straßen, und ließ nur den Spielplatz übrig als stummen Zeugen der Vergangenheit.“
Nachdem sie das gelesen hatte, betrachtete Emma unwillkürlich ihr eigenes Spiegelbild. Ihre Pupillen waren weitaus dunkler als üblich. Sie lebte nun mit einem Geheimnis und einem unwohlen Gefühl, dass der Wald und der Spielplatz ihre Geschichte nicht ganz freigegeben hatten.
Tags darauf war Emmas Augenfarbe wieder normal, doch ihr Smartphone hat bis heute keinen Empfang mehr. Sie blieb mit der beunruhigenden Vermutung zurück, dass sie vielleicht nicht alleine von dem „verlorenen Wald“ zurückgekehrt war.