Winter war gefallen, und der scharfe und eisige Wind wehte Svenjas Atemhauch in kleinen Wölkchen davon. Sie joggte im Park, die schnell einbrechende Dunkelheit und die verlassene Landschaft schreckten sie nicht ab. Für Svenja war das Joggen in der Dunkelheit eine Therapie: Allein in der Nacht, nur mit Gestirnen als Begleiter.
Während sie ihre Runde beendete, bemerkte sie eine auffällige Stille – frostige Stille. Die Bäume flüsterten nicht, und irgendwie schienen die Sterne nicht mehr so hell. Ein unterschwelliges Unbehagen erfasste sie, aber sie schüttelte den Gedanken ab und setzte ihren Weg fort. Plötzlich hörte sie ein Flüstern, nicht so sehr ein Wort, sondern ein Geräusch, ein frostiges Flüstern. Ihr Herz raste, doch sie zwang sich zur Ruhe.
Das Flüstern wurde mit jedem Schritt lauter und schien aus allen Richtungen zu kommen. Angst stieg auf, und sie sprintete in Richtung Ausgang. Mit jeder Sekunde wurde das Flüstern lauter, dringender, es schien ihr Fleisch zu durchbohren, bis es direkt in ihrem Geist erklang. Sie sah schnell über ihre Schulter und im flackernden Licht der Straßenlaterne nahm sie die Gestalt wahr – eine graue Silhouette, formlos und dennoch definitiv vorhanden. Sie schrie auf und rannte weiter, aber die fremde Präsenz folgte ihr.
Sie erreichte endlich ihr Haus, warf die Tür auf und schlug sie hinter sich zu. Ihr Atem keuchte, ihr Herz hämmerte. Das Flüstern hatte aufgehört, und sie zwang sich zur Ruhe. Überzeugt, dass ihre Angst sie überwältigt hatte, lächelte sie über ihre eigene Paranoia. Sie stieg die Treppe hinauf und bemerkte ihre verschwommene Reflexion im Spiegel an der Wand. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie starrte direkt in die schwarze Kälte von zwei Augen ihres Spiegelbilds, und dahinter die graue Silhouette, die nun klarer erschien.
Mit kaum zu hörendem Atem versuchte sie, sich zu beruhigen und zurückzuziehen. Aber die Reflexion in ihrem Spiegelbild veränderte sich nicht. Als ob sie auf eine unsichtbare Grenze gestoßen wäre, konnte sie keinen Schritt zurück machen. Und dann, so leise wie das Knistern von Schnee unter dem Fuß, hörte sie das Flüstern wieder. Es lief über ihre Haut wie Frost und ließ sie erstarren.
Ihr Schrei war das Letzte, was man von ihr hörte. Am nächsten Morgen fand man ihr Haus verlassen vor, Svenja war spurlos verschwunden. Die eisige Winterluft schien immer noch ihre Geschichte in einer kaum wahrnehmbaren Stimme zu flüstern, ein ewiges Echo, das in der bitteren Kälte gefangen war.
Und immer wenn der Winter zurückkehrt, mit seinem scharfen, frostigen Wind und den eisigen Sternen am Himmel, hören die Menschen im Park manchmal ein frostiges Flüstern. Sie flüchten heimwärts, Schaudern überkommt sie, doch niemand spricht je darüber. Denn im Frost flüstern Geheimnisse, und manche Geheimnisse sind zu schrecklich, um sie laut auszusprechen.