jeden Tag eine Geschichte
Flüstern aus den Gräbern

Flüstern aus den Gräbern

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Tom schreckte aus seinem Schlaf auf und fuhr hoch. Es war mitten in der Nacht und die Dunkelheit hatte ihren dicken Schleier über seinen kleinen Vorgarten geworfen. Allerdings war es nicht die Dunkelheit, die ihm den Verstand rauben wollte. Es waren die Geräusche, die aus dem Boden zu dringen und in seinem Ohr zu summen schienen.

Das Summen war leise, kaum wahrnehmbar. Es wäre für jeden anderen wie das flüchtige Flüstern des Windes in den Bäumen gewesen. Doch nicht für Tom. Für ihn war es echt und beklemmend.

Er stand vom Bett auf und zog die Vorhänge beiseite. Seine Augen suchten seine ruhige Gartenoase ab, die nun unter dem leeren, schwarzen Himmel etwas Unheilvolles an sich hatte. Das Geflüster erhöhte seine Lautstärke und Tom fühlte sich von seinem eigenen Grundstück ausgeschlossen, ausgesperrt durch eine unsichtbare Macht.

Er sah, dass sich dort draußen, unter den kleinen Blumenbeeten und den geschickt angelegten Steinwegen, die Gräber befanden. Dort ruhten seine Vorfahren, unter dem meisten Grün seines Gartens, unter seiner Kontrolle und unter seinem Schutz.

Tom beschloss, den Ursprung der Störungen zu untersuchen und öffnete die Haustür. Die kalte Nachtluft strich ihm über die Haut, als er sich zu den Gräbern vorarbeitete. Mit jedem Schritt versuchte er, das Flüstern zu dechiffrieren.

Er stand am Rand des ersten Grabes und lauschte. Er konnte das Geflüster immer noch hören, lauter und eingehender. Es war, als würde es in der uralten Sprache seiner Vorfahren gesungen, die er nur vage kannte.

Dann spürte er es – ein unheimliches Kribbeln unter seinen Füßen. Er blickte nach unten und stellte fest, dass die Erde unter ihm vibrierte. Die Vibrationen waren intensiv, aufgeladen und mit dem Geflüster synchronisiert.

Die Worte wurden plötzlich klar und verständlich. Es war eine Warnung. Etwas war in der Nähe, eine finstere dunkle Macht, die seine Vorfahren aufgeweckt hatte. Sie sprachen zu ihm, warnten ihn, baten ihn, sicher im Haus zu bleiben und sich zu schützen.

Tom rannte zurück zum Haus, die Warnungen der Toten in seine Ohren gebrannt. Er schloss die Tür und lehnte sich gegen die harte Holzfläche. Draußen wurde das Flüstern lauter. Die Toten riefen und riefen, bis ihre Stimmen in einem schrecklichen Crescendo gipfelten.

Plötzlich verstummten sie. Das Flüstern erstarb. Tom spürte die Stille, die sich wie ein dicker Vorhang auf sein Haus legte. Er atmete aus und schloss die Augen, während er sich langsam auf den Boden hinunter gleiten ließ.

Dann knarrte die Haustür…

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