Max und Mia wanderten unter dem dichten Blätterdach des Waldes entlang. Die gemähte Gräser trugen den süßen Duft des Herbstes. Die goldene Sonne, die den Tag bisher so warm und einladend gemacht hatte, begann hinter den Bäumen zu sinken, tauchte den Wald in schattenreiches Zwielicht. Sie fühlten, wie ein kühler Wind aufkam und ein fernes Flüstern trug.
Als Stadtkinder geht man nicht oft in den Wald. Etwas über die unnatürliche Stille machte sie nervös. Sie folgten dem kurvenreichen Pfad, der tiefer in den Wald hineinführte, aber mit jedem Schritt wuchs die Unsicherheit. Doch es war das Flüstern, das sie am meisten beunruhigte. Ein ständiges Rascheln, als ob winzige Stimmen in einer fremden Sprache sprachen. Max machte sich Mut, indem er annahm, es seien nur die Blätter, die im Wind flatterten, oder smallere Tiere, die im Unterholz herumhuschten.
Sie erreichten eine Lichtung, die wie ein Wunder inmitten der alten Bäume lag. Ein durch einen Blitzschlag gefallter Baum diente als perfekter Sitzplatz und sie ließen sich nieder. Vielleicht war es die Sicherheit dieser Lichtung, die ihnen erlaubte, ihre Ängste beiseitezuschieben. Sie machten ein kleines Lagerfeuer und begannen, Marshmallows über den Flammen zu rösten.
Doch dann hörten sie es wieder – das Flüstern wurde lauter. Dunkel und einschüchternd, fast als ob es sie locken würde, tief in den dunkelsten Teil des Waldes hineinzuwagen. Sie fingen an, Formen zwischen den Bäumen zu erkennen, die Schatten, die wie Menschen aussahen und sich flüsternd dem Feuerschein näherten. Max stand auf und gab vor, ein verängstigtes Rauschen im Unterholz untersuchen zu gehen.
Die Sekunden verlängerten sich zu Minuten. Mia wurde es mulmig und rief nach Max. Keine Antwort. Sie rief lauter, doch nur die Echo ihrer Stimme und das Zwitschern der Grillen antworteten ihr. Die Schatten schienen zu den Flüstern zu tanzen und sie empfand fürchterlichen Schrecken. Sie sprang auf und eilte in die Richtung, in die Max gegangen war.
Der Pfad war jetzt vollständig dunkel, nur von gelegentlichem silbernem Mondschein durchbrochen. Als sie tiefer in den Wald ging, wurde das Flüstern lauter und dringender. Und dann sah sie es – mitten auf dem Pfad stand Max, regungslos und starrte in die Dunkelheit. Mia rannte zu ihm, riss ihn herum und schaute in sein Gesicht. Seine Augen waren leer und seine Mundwinkel zogen sich zu einem unheimlichen Lächeln hin.
Mia wollte schreien, etwas tat es aber nicht. Sie konnte nur starren, während Max seinen Mund öffnete. Aber anstatt seiner Stimme hörte sie das Flüstern, das dunkle und bedrohliche Flüstern, das sie seit der Dämmerung gehört hatten. Und es kam aus ihm.
Ihr Herz schlug hart und schnell gegen ihre Brust, während sie Max da stehen ließ und zurück zur Lichtung rannte. Aber das Feuer war erloschen und die Lichtung war von Dunkelheit verschlungen. Alles was übrig war, waren die Schatten und das Flüstern, das aus dem Dunkeln kam.
Lange nachdem die Sonne aufgegangen war, fanden die Suchtrupps Mia am Rande des Waldes, verstört und mutlos. Von Max fehlte jede Spur; sein Verschwinden wurde als ungelöstes Rätsel abgetan. Niemand außer Mia wusste von den dunklen Flüstern und sie schwor, niemals wieder einen Fuß in den Wald zu setzen, wo die Schatten flüstern.