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Die Uhr des Jüngsten Gerichts

Die Uhr des Jüngsten Gerichts

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Es herrschte Windstille in dem Städtchen Pinegem. Unheimliche Dunkelheit lag in der Luft, nur unterbrochen vom fahlen Licht der einzigen Straßenlampe, die scheinbar gegen die Dunkelheit ankämpfte. Ein schattenhafter Umriss eines Jungen, Dylan, erschien. Er kletterte auf seinen alten, verrosteten Fahrrad, die Einzige Erinnerung an seine Eltern, die vor Jahren bei einem tragischen Ereignis ums Leben kamen.

Er strampelte die einsame Straße entlang auf dem Weg zum alten, seit Ewigkeiten verlassenen Haus am Ende der Stadt. Trotz der Gerüchte, dass es verflucht sei, besaß es eine seltsame Anziehungskraft auf ihn. In der Dunkelheit, die nur von seinem Fahrradlicht durchbrochen wurde, sah er das Haus auf sich zukommen. Je näher er kam, desto mehr konnte er das pochende Klopfen seines Herzens in seinen Ohren hören.

In einem unerklärlichen Moment der Unbesonnenheit betrat er das Haus. Ein Hauch von Moder hing in der Luft, gemischt mit dem Geruch von altem Holz. Ein seltsamer, kornischer Ohrstöpsel, der auf einem verstaubten Tisch stand, zog Dylans Aufmerksamkeit auf sich. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, als er sich langsam darauf zubewegte. Eine Art mechanische Uhr, jedoch weder altmodisch noch modern, lag da einsam und verlassen. Umgeben von einer Aura der Dunkelheit zog sie Dylan in ihren Bann.

Er ergriff sie aus dem Impuls heraus. Sofort spürte er wie er durch ein eisiges Zeitportal gezogen wurde. Alles um ihn herum verblasste und es folgte eine drückende Dunkelheit. Als sein Bewusstsein schließlich zurückkehrte, fand er sich nicht in dem alten Haus vor. Stattdessen stand er auf einer Plattform und blickte auf die zerfallenden Trümmer von Pinegem hinunter. Asche fügte der Luft einen bitteren Beigeschmack hinzu, und die verstreuten Überreste menschlicher Zivilisation verliehen dem Ganzen eine unheimliche Stimmung. Und im Epizentrum dieses apokalyptischen Szenarios stand die Uhr.

Plötzlich drangen die verzweifelten Schreie der Bewohner in Dylans Ohren. In der Ferne sah er schmerzlich bekannte Gesichter inmitten der Verwüstung. Es war kein Zweifel mehr möglich. Dylan war nicht in einem anderen Ort, sondern in einer anderen Zeit. dabei hilflos die Ereignisse zu beobachten, die sich bereits in der Vergangenheit abgespielt hatten.
Er hatte die Apokalypse gesehen. Das Ende der Welt. Sein Zuhause als verlassene Ruine. Die Uhr in seiner Hand war der Schlüssel.

Er ließ die Uhr fallen und lümmelte sich in der Dunkelheit. Die Verzweiflung überwog, blieb ein paar sekunden und dann… Dunkelheit. Als er langsam wieder zu sich kam, fand er sich in dem verfallenen Haus, von seinem Erlebten keine Spur. Abgesehen von der mysteriösen Uhr, die vor ihm auf dem Boden lag.

Dylan rannte aus dem Haus und radelte wie wild nach Hause. Die Ereignisse der Nacht würde er nie vergessen. Die Uhr des Jüngsten Gerichts hatte ihm seine Stadt in Ruinen und Asche gezeigt, und mit ihr die Folgen der Apokalypse. Er nahm es nun als seine Pflicht diese Katastrophe zu verhindern. Doch wie? Er wusste es nicht. Aber er wusste, dass die Zeit lief und ihm nicht viel davon blieb.

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