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Die Maske des Wahnsinns

Die Maske des Wahnsinns

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Das Gefühl des kalten Kunststoffs, der ihre Haut berührte, war das erste, was Ellen wahrnahm, als sie die Merkwürdigkeiten bemerkte. Heute war der alljährliche Maskenball ihres Highschool-Klubs und sie hatte sich entschieden, eine venezianische Maske zu tragen. Die Maske hatte sie auf einem Flohmarkt gefunden, bei einem merkwürdigen Verkäufer, der sie eindringlich vor der Maske gewarnt hatte. Lachend hatte sie das als Verkaufsmasche abgetan. Sie wusste jetzt, wie falsch sie gelegen hatte.

Ihr Freund Mike und sie waren zu ihrem Auto gelaufen, um etwas Privatsphäre zu haben. Dort hatten sie über ihre gemeinsamen Zukunftspläne geschwatzt; doch plötzlich begann die Welt um Ellen sich zu verändern. Die einst hellen Straßenlaternen nahmen eine bedrohliche, düstere Ausstrahlung an. Jeder Schatten schien sich zu bewegen, Äste knickten scheinbar willkürlich und das Lachen aus der Ferne klang wie gehässiges Spotten.

Mike schien nichts davon zu bemerken. Als Ellen nach seiner Hand griff, um sich Gewissheit zu verschaffen, fühlte sie eine kalte, unbelebte Berührung. Sie starrte ihn an, nur um den fröhlichen Mike durch eine groteske Kreatur ersetzt zu sehen. Seine Haut war aschfahl und ledrig, seine Augen blutunterlaufen und seine Zähne scharf und spitz. Ein Anblick puren Schreckens.

Mit einem Schrei riss sie sich los und stürzte aus dem Auto auf die Straße. Dort traf sie auf eine Welt, die sich in einen Alptraum verwandelt hatte. Irgendwo in der Ferne hörte sie das nervenaufreibende Heulen einer verirrten Seele; es war wie der Wind, der einem Grabstein die letzte Ehrerbietung erweist. Ellen begann zu laufen. Sie rannte und rannte, versuchte, dieser entsetzlichen, veränderten Realität zu entkommen.

Doch dann, wie ein Hammer, traf die Erkenntnis sie. Die Maske. Sie riss sie herunter und die Welt kehrte mit einem Knall in die Normalität zurück. Sie atmete schwer, ihre Augen weiteten sich bei der Erkenntnis dessen, was sie durchlebt hatte. Ellen schloss die Augen für einen Moment und als sie sie öffnete, sah sie Mike, der besorgt zu ihr herüber eilte.

Am nächsten Tag trafen sie den Verkäufer auf dem Flohmarkt wieder. Sie bot ihm die Maske zurück, doch er weigerte sich. Sie gehörte nun ihr, sagte er, sie allein habe jetzt die Macht. Als Ellen verständnislos blinzelte, fuhr er fort zu erklären. Die Maske zeige ihrem Träger, was die Welt sein könnte, wenn Wahnsinn herrschte, was geschehen könnte, wenn das Licht des Verstands einmal erloschen wäre.

Die Maske wird stets ein düsteres Geheimnis in Ellens Schrank bleiben. Sie weiß jetzt, wie eng Verstand und Wahnsinn beieinander liegen. Sie weiß, wie schnell sich ihre Welt in einen Alptraum verwandeln kann. Und sie weiß, dass sie nie wieder einen Maskenball besuchen wird.

Doch manchmal, in der dunkelsten Stunde der Nacht, hört sie noch immer das Heulen aus der Ferne und fühlt die Kälte der Maske auf ihrer Haut.

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