Andrea war leidenschaftliche Inhaberin eines Antiquitätengeschäfts, in dem sie von funkelndem Schmuck bis zu alten Möbeln alles verkaufte. Eines Tages bekam sie von einem mysteriösen Lieferanten eine alte, verzierte Urne, die von düsterer Eleganz war und der angeblich aus einer verlassenen Villa stammte.
Fast sofort nach dem Hinzufügen der Urne zu ihrer Ausstellung bemerkte Andrea seltsame Vorkommnisse. Gegenstände bewegten sich über Nacht von selbst, Lichter flackerten und ein paar Mal hörte sie ein fast unhörbares Flüstern, das im Wind zu schweben schien. Die Antiquitätenhändlerin begann, von beängstigenden Alpträumen geplagt zu werden, die immer um die geheimnisvolle Urne kreisten.
Neugierig und ein wenig verängstigt entschied sie sich, mehr über die Herkunft der Urne in Erfahrung zu bringen. Ihre Recherchen führten sie zu einer Legende, die sich um ein verfluchtes Artefakt drehte. Es hieß, dass die Asche, die in dieser Urne gehalten wurde, die Überreste einer mächtigen Hexe aus dem 17. Jahrhundert waren. Doch das war nicht alles. Die Legende besagte auch, dass die Hexe vor ihrer Verbrennung einen Fluch aussprach: Wer immer ihre Asche stört, wird von Albträumen heimgesucht und von ihrem Geist verfolgt – bis zum Tode.
Fehlerhafter Aberglaube, dachte Andrea. Sie war eine Skeptikerin – sie glaubte nicht an Geister oder Flüche. Ader der Terror ihrer Albträume und die beunruhigenden Ereignisse in ihrem Laden ließen sie an ihrem Unglauben zweifeln. Und eines Tages entschied sie, den Fluch zu brechen.
Nachts, unter dem bedeckten Himmel, öffnete Andrea zitternd die Urne und verstreute die Asche auf einem nahe gelegenen Fluss. Sie war nicht sicher, was sie genau erwartete, aber nichts geschah. Erleichtert kehrte sie nach Hause und schlief in jener Nacht ohne Albträume. Alles kehrte zur Normalität zurück und die merkwürdigen Vorfälle endeten.
Einige Wochen später jedoch, bemerkte Andrea etwas völlig Unerwartetes: Ihr Haar begann zu ergrauen und ihre Haut wurde blasser und faltiger. Innerhalb von wenigen Tagen alterte sie spurlos. Als sie ihr Spiegelbild sah, erschrak sie: Sie sah aus als hätte sie Jahrzehnte übersprungen und plötzlich, traf sie der schockierende Gedanke:
Die Asche von morgen.
Die Asche, die sie im Fluss verstreut hatte, war nicht nur die Asche einer mittelalterlichen Hexe, es waren auch die Überreste ihrer zukünftigen Tage, ihres Alterns und letztlich, ihres Todes. Die Flüsterstimmen, die sie gehört hatte, waren die Stimmen der Zukunft, die jetzt durch ihre Adern fließen. Die Urne hielt nicht nur die Asche der Vergangenheit fest, sondern auch die Asche von morgen. Und in ihrer Ignoranz hatte Andrea ihre eigenen Tage verstreut.
Als sie in den Spiegel starrte, erkannte sie die geisterhafte Präsenz, die sie verfolgt hatte: Es war nicht der Geist einer Hexe, sondern ihr eigener. Andrea war ihre eigene Albtraumfrau geworden, von einer Zukunft heimgesucht, die nie existieren würde.
Wie viele Tage hatte sie noch übrig? Wie viele Stunden? Minuten? Die Asche von morgen hatte ihre Zukunft in das Nichts verstreut und ließ Andrea mit der unerträglichen Ungewissheit des Verfalls zurück.