jeden Tag eine Geschichte
Der Geist des alten Hauses

Der Geist des alten Hauses

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Die J-nachdenkliche Familie zog in das alte, düstere Anwesen am Ende der Straße. Es war unverkennbar gealtert, das graue Holz elegant verwittert im Laufe der Jahrzehnte. Der Vater, David, verspürte eine merkwürdige Verbundenheit mit dem alten Haus und hatte beschlossen, dass es das perfekte neue Zuhause für sie sein würde.

Ihre Tochter, Emily, war vom ersten Tag an besorgt. Sie behauptete, sie hätte seltsame Geräusche im Haus gehört. Knarren und Seufzen, als wäre das alte Holz lebendig. Aber die Familie winkte es ab – das Haus sei halt alt, da gibt es immer irgendwas das knarrt und quietscht.

Eines Abends, als alle anderen schon schliefen, saß Emily auf ihrem Bett und wollte eigentlich ein Buch lesen. Doch sie konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren. Dreimal schon hatte sie den gleichen Satz gelesen und verstand doch nicht worum es ging. Sie fühlte sich unbehaglich, beobachtet. Keine zehn Minuten später hörte sie wieder dieses Seufzen, gefolgt von einem weichen, gedämpften Flüstern.

„Wer bist du?“ flüsterte sie in die Dunkelheit. Und das vermeintliche Haus flüsterte zurück: „Bleib hier, Kind. Dein Vater darf nicht wissen, dass du mich sprechen hörst.“ Emily erschauerte. Kälte kroch ihren Rücken hinauf und legte sich wie ein eisiger Mantel um ihre Schultern. Sie eilte zu ihrem Bett und zog die Decke über ihren Kopf, aber das machte das Flüstern nicht weniger real.

In den nächsten Wochen machte Emily das Geheimnis mit sich selbst aus, trug es wie einen dunklen Schatten in ihrer Seele. Sie versuchte immer wieder, das Wesen – oder was immer es war – zu ignorieren. Doch Geräusche, Flüstern und sogar Schatten auf der Wand verfolgten sie konstant. Sie verbarg ihre Angst vor ihrem Vater, er hatte immerhin beste Absichten, als er das Haus kaufte.

Es passierten unerklärliche Dinge wie das Umschlagen von vorher eingeschlagenen Türen, der plötzliche Ausfall von Licht und der Fall von Gegenständen von den Regalen. Früher oder später merkten auch die anderen Familienmitglieder, dass etwas nicht stimmte. Aber anstatt der Sache auf den Grund zu gehen, vermieden sie das Thema und verwendeten ihre Energie darauf, sich gegenseitig Trost zu spenden.

Doch eins war sicher, der „Geist des alten Hauses“ hatte überlebt und die J-nachdenkliche Familie konnte dieser Wahrheit nicht entkommen. Oder war es sogar noch schlimmer und der „Geist“ war nur der erste von vielen verborgenen Problemen?

Diese Erkenntnis sowohl erschreckend als auch tragisch. Das alte Haus, das für David ein Symbol von Hoffnung war, entpuppte sich als brodelnder Kessel voller übernatürlichem Grauen. Emily, obwohl von den Erwachsenen abgewiesen, war die Einzige, die die wahre Dunkelheit des alten Hauses kannte.

Die Geschichte der J-nachdenklichen Familie endet hier. Doch ihr neues Leben im alten Haus hat gerade erst begonnen und wer weiß, was die Zukunft für sie bereithält? Sicher ist nur eins: Der Geist des alten Hauses ist ebenso real wie die Geheimnisse, die es birgt.

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