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Das Fenster zum Nichts

Das Fenster zum Nichts

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Es war ein gewöhnlicher Tag, als Jay einer der bekanntesten Influencer von Ravenswood, beim Durchstreifen der alten Lagerhalle auf das Fenster zum Nichts stieß. Das massive, schwarz lackierte Eisen war vom Rost zerfressen, und das Fenster blickte in eine tiefe Dunkelheit, obwohl es draußen helllichter Tag war.

Jay zog sein Smartphone hervor, schaltete seine Taschenlampe ein und versuchte, draußen zu sehen. Seine Follower, die seine Live-Übertragung auf diversen Social-Media-Kanälen beobachteten, kommentierten aufgeregt und überrascht. Die Taschenlampe zeigte bloß eine endlose Dunkelheit.

Neugierig und immer auf der Suche nach neuen Emotionen für seine Follower, beschloss Jay, ein Stück Papier durch das Fenster zu werfen. Er wartete ein paar Sekunden, aber das Papier kehrte nie zurück. Es war, als ob das Fenster ein Portal zu einer anderen Dimension öffnete, in der die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt waren.

Jay fühlte ein unheimliches Kribbeln im Nacken und beschloss, seinen Livestream zu beenden. Doch als er versuchte, das Fenster zu schließen, stellte er fest, dass er es nicht mehr bewegen konnte. Unabhängig von seiner Anstrengung schien das Fenster fest verankert zu sein.

In der darauffolgenden Nacht konnte Jay kein Auge zu tun. Er konnte nur an das Fenster denken und war fasziniert und gleichzeitig verängstigt von dessen Präsenz. Es hatte etwas an sich, das ihn auffraß. Eine unbestimmte Furcht, die tief in seiner Brust wuchs und ihn jede Nacht von schlaflosen Ängsten heimsuchte.

Er beschloss zurückzugehen und seine Erfahrung zu dokumentieren. Er nahm seine Kamera und seinen Laptop mit, um live zu streamen und seine Follower über seine Erfahrungen auf dem Laufenden zu halten.

Als er das Fenster erreichte, war es noch dort, unverändert und dunkel. Er startete seinen Livestream und erzählte seinen Followern von der dunklen Angst, die das Fenster in ihm auslöste. Etwas in ihm drängte ihn jedoch, näher zu kommen und seine Hand auf das eiskalte Glas zu legen.

Aber es gab kein Glas – seine Hand glitt einfach hindurch und wurde von der Dunkelheit verschlungen. Ein eisiger Schreck durchfuhr ihn und er versuchte sofort, seine Hand zurückzuziehen, doch es war zu spät. Irgendetwas zog ihn mit einer Kraft, der er nicht widerstehen konnte, immer weiter in die Dunkelheit bis sein kompletter Körper in dem Fenster verschwand.

Die letzte Szene auf seinem Livestream war, wie Jay vollständig in dem Fenster aufgesogen wurde. Danach herrschte Dunkelheit. Niemand hat seitdem von Jay gehört. Niemand weiß, was ihm passiert ist. Die Lagerhalle wurde gesperrt, doch das Fenster bleibt. Immer noch offen, immer noch dunkel, immer noch ein Rätsel.

Die letzte Erinnerung an Jay ist sein Livestream, der auf seinen Social-Media-Kanälen weiter läuft. Ein Fenster zum Nichts, das auf etwas Ungesehene und Ungeheuerliches hinausschaut. Ein Zeugnis, das die Menschen dazu zwingt, sich der Realität ihrer Ängste zu stellen und sie zu konfrontieren. Ein Fenster, das immer offen bleibt und in das Nichts führt.

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