jeden Tag eine Geschichte
Abgeschieden

Abgeschieden

3

Nur das Flackern des alten schwarzen Bildschirms und eine qualmende Kaffee-Zigarett-Kombination störten die Stille, die den Raum umgab. Alex saß alleine in dieser alten Blockhütte, die sein Großvater ihm hinterlassen hatte. Der Berg war einsam, abgeschieden und zumeist ruhig. Das war genau das, was Alex wollte. Keine Menschen, keine Ablenkungen, nur er und sein arbeitendes Zeug.

Die einzige Verbindung zur Außenwelt war der alte Schwarz-Weiß-Fernseher. Es liefen nur zwei Kanäle, einer davon zeigte nur statisches Rauschen, der andere zeigte alte Filme und Nachrichten. Alex schaltete auf den Nachrichtenkanal um, wo er noch etwas von vermehrten Störungen im Funkverkehr hörte, bevor er es ausschaltete und sich wieder seiner Programmierarbeit widmete.

Er war gerade dabei den letzten Fehler zu beheben, als er plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Er drehte seinen altmodischen Büro-Stuhl herum und sah, wie sein Fernseher von selbst ansprang. Statik füllte den Bildschirm und aus den Lautsprechern drang ein hohles Knistern. Vor Schreck ließ Alex die Maus fallen und starrte auf den Bildschirm. Er richtete sich auf und wollte den Fernseher ausschalten, doch auf dem Bildschirm erschien plötzlich ein Bild. Es war ein Live-Feed von seinem eigenen Gesicht, mit seinem Hintergrund, seinem Computer und der Tasse Kaffee neben ihm.

Statt Angst zu empfinden, empfand Alex eine tiefe Verwirrung. Wie konnte das möglich sein? Er besaß keine Webcam. Verunsichert stand er auf und ging auf den Fernseher zu. Ohne einen klaren Gedanken fuhr er mit der Hand über den Bildschirm, als ob er das Bild weg wischen könnte. Doch das Bild tollte nur kurz, bevor es wieder in die klar erkennbare Szene zurückkehrte.

Alex blickte zurück auf seinen Arbeitsplatz. Sorgfältig musterte er jeden Winkel, ob er vielleicht irgendwie doch eine Kamera übersehen hatte. Doch es war nichts zu finden. Er trat zurück und versuchte, die Situation zu begreifen. Plötzlich bemerkte er, dass das Bild auf dem Fernseher wieder zu statischem Rauschen geworden war. Er fühlte sich etwas erleichtert, aber auch unwohl bei dem Gedanken, dass jemand ihn gerade beobachtet haben könnte.

Als er sich wieder hinsetzte, sah er auf seinem Bildschirm zwei Zeilen Code, die er definitiv nicht eingegeben hatte. Es waren nicht einmal Befehle, die in seiner Programmiersprache Sinn ergaben. Er las sie laut vor: „Alex, siehst du uns?“ Ein Schauer schlich sich seinen Rücken hinauf. Wieder blickte er zum Fernseher. Statt statischem Rauschen war nun ein Text eingeblendet: „Alex, wir sehen dich.“

Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wer auch immer das steuerte, sie waren nicht nur in seinem Fernseher, sondern auch in seinem Computer. Panik schnürte ihm die Kehle zu. Alex stolperte hinaus in die eisige Kälte, die Dunkelheit der Nacht verschluckte ihn. Seine Atmung schwebte frostig in der Luft vor ihm, während er um Hilfe schrie, doch es war nichts als das Echo seiner eigenen Stimme, das zu ihm zurückkehrte.

Als er seine Augen öffnete, sah er sie. Hunderte von leuchtenden Augen, die in der Dunkelheit um die Hütte herum schwebten, beobachteten ihn mit unendlicher Ruhe.

Sie waren nicht länger abgeschieden.

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