jeden Tag eine Geschichte
Verbrannte Träume

Verbrannte Träume

2

Alex war ganz normaler Teenager, der Videospiele liebte, bis zu dem Abend, als seine Träume plötzlich real wurden. Schlafend auf dem Sofa, versunken in einem Traum, wehte ein düsterer Schatten an ihm vorbei. Er erwachte und sah sich um, doch nichts Schattenhaftes war zu sehen.

Dennoch spürte er eine drückende Schwere, ein Unbehagen, das ihn gefangen hielt und die Luft verdrängte. Er konnte kaum atmen, geschweige denn schreien. Mit jeder Sekunde wurde die Schwere intensiver, bis der Druck so unerträglich wurde, dass er sich in seine Kissen vergraben wollte. Doch dann, plötzlich, war er im klaren, blauen Himmel. Unter ihm sah er grüne Wälder und glitzernde Seen. Es war friedlich, bis ein gewaltiger Berg in Sicht kam, aus dessen Spitze Rauch und Feuer aufstiegen.

Wieder fand er sich auf seinem Sofa, mit ihm nichts als die Dunkelheit. Wo eben noch Himmel, Bäume und Wasser waren, sah er nun bloß die Wände seines Wohnzimmers, den Fernseher, der noch lief, das nachtblau glänzende Fenster. Er versuchte aufzustehen, konnte sich aber nicht bewegen. Angst machte sich breit, eine tickende Uhr in der Stille des Raums. Da war er wieder, der Schatten, kälter und beängstigender als zuvor.

Blickkontakt. Eiskalte Augen starrten ihn an, Augen ohne Körper, Augen ohne Seele. Und dann geschah es. Die Welt um ihn elendslangsam veränderte sich wieder. Das Wohnzimmer verschwand, die eisigen Augen blieben. Alex war wieder an einem anderen Ort. Ein finsterer Wald erstreckte sich vor ihm, dicht und undurchdringlich. Der Schatten schwebte über ihm, lauerte dort, irgendwo in den Höhen. Was auch immer geschehen sollte, es wäre nicht gut. Dann brach die Stille, Nacht wandelte sich zu Tag, und eine kolossale Kreatur durchbrach die Baumgrenze.

Panisch fand er sich wieder auf seinem Sofa. Die eisigen Augen waren verschwunden, der Fernseher lief weiter, als wäre nichts geschehen. Alex merkte, dass seine Träume ihn nun bei vollem Bewusstsein quälten. Sie kamen ohne Vorwarnung, ein Schatten war alles, was ihnen vorausging. Und mit jedem Mal wurden sie intensiver, die Orte krasser, die Kreaturen furchteinflößender.

Eine Woche verging und niemand glaubte ihm, auch wenn die dunklen Ringe unter Alex‘ Augen und sein zunehmender Schlafmangel offensichtlich waren. Die Nächte auf dem Sofa wurden länger, die Träume schrecklicher. Seine Träume waren verbannt aus der Dunkelheit der Nacht und lebten nun in seiner Wahrnehmung fort, ohne Gnade, ohne Abwehr. Die Frage, die nun im Raum hing, war – was passiert, wenn er in seiner „Traumrealität“ stirbt?

Das Bekannte und Ungefährliche von Gestern wurde zum schrecklichen Unbekannten von Heute. Eine neue, düstere Realität, die sein Lachen stahl und seine Tage zur Nacht machte. Alex steckte fest zwischen den Welten, war Spielball seiner eigenen Ängste, verstrickt in der Dunkelheit verbannter Träume. Und diese Dunkelheit, sie lauerte jetzt schon, bereit, sich wieder zu nehmen, was ihr gehörte: Die Angst in seinen Augen, die Schrecken, die seinen Schlaf beherrschten, seine Unschuld, und schließlich seine Freiheit – Stück für Stück, Nacht für Nacht.

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