jeden Tag eine Geschichte
Verfluchte Stille

Verfluchte Stille

3

Das Knarren der schwingenden Veranda war das einzige Geräusch, das die nächtliche Stille durchbrach, als Sofie vor ihrer Hütte stand. Der gedämpfte Schrei des Dachbodens, als er unter ihrem Gewicht ächzte und die knarrenden Dielen kaum zu hören waren. Die übrige Welt hielt den Atem an, als ob sie wusste, dass heute Nacht etwas Schreckliches passierte.

Schon als Kind war Sofie sensibel für das Paranormale. Seltsame Schatten in leeren Ecken, leises Flüstern im Rascheln der Blätter, es war etwas, was sie kannte und begrüßte. Aber dieser Abend setzte sich von allen anderen ab. Heute war die Stille anderes. Es war eine Art von Stille, die ihre Knochen zum Beben brachte. Ein so tiefes Schweigen, dass sie das Blut in ihren Adern rauschen hören konnte. Ein krasses Gefühl von verfluchter Stille.

Etwas glänzend Schwarzes flackerte in der Dunkelheit auf, und Sofie konnte es für einen Moment ausmachen. Etwas viel größer und gewaltiger als jeder Schatten, den sie zuvor gesehen hatte. Es bewegte sich lautlos über die Veranda, fast so, als würde es die Dunkelheit selbst schlucken.

Die Atmosphäre begann sich zu verändern, das Knarren schien sich zu intensivieren und die Luft wurde dick. Ein kalter Wind strich über ihr Gesicht, das Haar auf ihren Armen stand auf. In der Stille konnte sie ein beinahe unhörbares Flüstern hören, das aus dem Dunkel kam. Sie konnte die Worte nicht ausmachen, doch jedes gesprochene Wort ließ das bedrohliche Gefühl in ihr weiter anschwellen.

Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang, in die Dunkelheit hinauszulaufen, diesem Dunkel entgegenzutreten. Mit jedem Schritt auf das dunkle Nichts zu, spürte sie, wie ihr Herz in ihrer Brust pochte. Sie konnte die Dunkelheit jetzt berühren, es fühlte sich kälter an als der kälteste Winter, doch es biss nicht. Es war fast angenehm, ein abstoßendes Spiegelbild der Geborgenheit, die man gewöhnlich in der Wärme findet. Als sie ihre Hand wieder zurückzog, hinterließ die Dunkelheit eine Art Rückstände auf ihrer Haut. Es war kein Dreck oder Staub, sondern Schatten, reine, undurchdringliche Dunkelheit, die wie Tinte über ihre Haut floss.

Eine stumme Schrei erfüllte ihren Kopf, laut und doch stumm, und ein brennendes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus. Ihre Augen brannten und die Dunkelheit war das Letzte, was sie sah, bevor sie die Kontrolle über sich selbst verlor.

Als Sofie am nächsten Morgen erwachte, war alles still. Die Stille war gebrochen, doch die gewohnte Ruhe der Natur fehlte. Die Vögel zwitscherten nicht, der Wind wehte nicht und es war kein Laut zu hören. Nur Sofie und die Stille. Doch in ihrer Hand befand sich immer noch dunkler Stoff aus der Nacht.

Die Dunkelheit war verschwunden, aber die Stille blieb. Es war, als hätte die Dunkelheit ihre Schwingungen mitgenommen und nichts als eine leere, ohrenbetäubende Stille zurückgelassen. Eine verfluchte Stille.

Sie schrie, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Sie weinte, doch kein Tropfen fiel aus ihren Augen. Die Welt war genauso stumm und lautlos wie sie. Sofie war in der verfluchten Stille gefangen. Der friedliche Morgenkapitel in ihrem Leben hatte begonnen, doch ihre Welt trug den Fluch der Stille. Und der mundete in einer endlosen Nacht.

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