Sie waren beste Freunde, Sarah und Annabelle. Sie teilten ihr Herz und ihre Seele und taten alles, was beste Freunde tun. Sie lachten, weinten und teilten Geheimnisse. Aber was sie nicht teilten, war Annabelles dunkles Geheimnis. Annabelle konnte mit den Seelen der Toten kommunizieren.
Es begann in ihrer Kindheit, mit mysteriösen Stimmen, die ihr niemand zuordnen konnte. Anfangs waren sie sanft und lieblich, doch wurden sie schließlich zu einem ohrenbetäubenden Wispern, das Nächte zum Albtraum machte. Annabelle war jahrelang schweigend ihrer Gabe unterworfen, um ihre geliebte Freundin Sarah zu schützen.
An einem schicksalhaften Tag traf Sarah einen schrecklichen Unfall und wurde leblos in ein Krankenhaus eingeliefert. Annabelle, von Trauer und Sorge überwältigt, versuchte verzweifelt, sich mit ihrer Freundin in Verbindung zu setzen. Plötzlich regte sich das Wispern wieder, doch dieses Mal war es anders. Es war Sarahs zarte Stimme, verzweifelt und ängstlich, die im Rauschen der Stille zu ihr sprach.
Es war ein erschreckendes Gespräch, geprägt von Angst und Einsamkeit. Sarah erzählte, dass sie in einem dunklen, kalten Ort sei, wo die Toten ziellos umherirrten und in einem unendlichen Kreislauf von Bedauern gefangen seien. Sarahs verzweifelte Stimme drängte Annabelle, ihre Eltern von ihrer Lage zu überzeugen und sie aus diesem trostlosen Ort zu befreien.
Annabelle fuhr in ihre Fahrt auf und erzählten den Ärzten und Sarahs Eltern die unfassbare Wahrheit. Ihre Worte stießen auf taube Ohren. Sie wurde für wahnsinnig gehalten, behandelt wie eine Geisteskranke. Annabelles Herzensschreie wurden ignoriert und stattdessen wurde sie der Anstalt übergeben.
Als die Rettung ausblieb, veränderte sich das Wispern. Es wurde bitter und hasserfüllt. Sarah flehte sie an zu kommen, ihren beklagenswerten Zustand zu beenden. Annabelle wurde im Krankenhaus festgehalten, unfähig, die immer verzweifelteren Hilferufe ihrer Freundin zu beantworten.
Die Tage wurden zu Wochen, und die Wochen zu Monaten. Annabelle versank in einen Zustand des Wartens und der Hilflosigkeit. Sarahs Worten wurde immer kälter und endete schließlich in einem vorwurfsvollen Stille. Annabelle konnte nur noch zuschauen, wie ihre einzige Freundin in der Welt der Toten verlorenging.
Sarahs Beerdigung war ein stummer Abschied von ihrer besten Freundin. Die Weiße Lilien auf ihrem Grab, ihre Lieblingsblumen, konnten nicht die tiefe Dunkelheit kompensieren, die in Annabelles Seele regierte. Die Welt wurde für sie zu einem grausamen Gefängnis ihrer Einsamkeit.
Schmerzlich klar wurde ihr, dass sie fähig war, die Stimmen der verlorenen Seelen zu hören, jedoch unfähig war, ihnen zu helfen. Sie fragte sich, ob sie es hätte besser machen können, ob sie hätte Sarah retten können, wenn sie früher von ihrer Gabe gesprochen hätte.
Monate waren vergangen, seit sie zuletzt Sarahs Stimme gehört hatte. Aber die Stille der Toten war nicht von Dauer. Eines Nachts, als Annabelle aufwachte, hörte sie wieder das Wispern. Es war eine neue Stimme, voller Angst und Verzweiflung, und sie wusste, dass ihre Pein noch lange nicht vorbei war.