jeden Tag eine Geschichte
Lichtlose Schatten

Lichtlose Schatten

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Tom war ein gewöhnlicher Teenager, bis er eines Nachts die riesige Oldeiche in seinem Hinterhof betrachtete. In der Dunkelheit schienen die Schatten der alten Eiche sich unabhängig von der Windbewegung zu bewegen – fast als hätten sie ein Eigenleben. Dieses Phänomen setzte sich in den folgenden Nächten fort.

Als wissenschaftlich orientierter Jugendlicher glaubte er nicht an Übernatürliches. Deshalb beschloss er, eine hypermoderne Nachtkamera aufzustellen, die Licht in Wärmebilder umwandelte und Schatten grafisch darstellte. In den ersten Nächten entdeckte die Kamera nichts Ungewöhnliches, doch in der fünften Nacht beobachtete er mit aufkeimendem Entsetzen, wie einige der Schatten begannen, um die Eiche herumzuschleichen, als ob sie nach etwas suchten.

Er beschloss, die Aufnahmen auf seinem Laptop zu speichern und sie am nächsten Tag genauer zu analysieren. Als er jedoch am folgenden Morgen seinen Laptop aufklappte, starrte er auf einen komplett schwarzen Bildschirm. Verwundert drückte er auf die Tasten, doch das Gerät reagierte nicht. Es war so, als ob seine Daten von etwas Dunklem verschlungen worden wären. Trotz Verzweiflung und leiser Angst schrak er nicht davor zurück, seine Untersuchung fortzusetzen.

Am nächsten Tag ausgerüstet mit weiteren Kameras und neuen Festplatten stellte er seine Geräte unter der Eiche auf. Kurz vor Mitternacht gingen wieder alle Lichter in seinem Haus aus. Erschrocken rannte er zur Eiche hinaus. Er konnte gerade noch erkennen, wie die Schatten ins Nichts verschwanden. Diese Nacht jedoch stellte er eine noch schrecklichere Entdeckung fest – alle aufgestellten Kameras und Festplatten waren auf mysteriöse Weise verschwunden.

Verzweifelt und wehrlos stand er unter der Eiche, wo seine Ausrüstung hätte sein sollen. Ein Gefühl der Beklommenheit wuchs in ihm – etwas Schattiges hatte sich seiner Geräte bemächtigt. Mit einer alles umfassenden Dunkelheit, die seine Hilfsmittel verschluckt und seine Recherche sabotiert hatte.

Die nächsten Tage lebte Tom in ständiger Furcht. Er wollte das Geheimnis der Schatten lüften, doch gleichzeitig spürte er, dass etwas Dunkles ihm auf der Spur war, ihm nachstellte. Die Bäume draußen schienen dunkler, die Nächte länger und schrecklichere Alpträume quälten ihn.

In einer besonders finsteren Nacht, als er unter der Decke lag und die Schatten an seiner Wand betrachtete, entdeckte er, wie einer der Schatten begann, sich auf ihm zuzubewegen. Mit weitaufgerissenen Augen beobachtete er, wie der Schatten langsam über seinen Körper kroch, seine Angst steigerte sich ins Unermessliche.

Dann, in dem Moment, als der Schatten sein Herz zu erreichen schien, spürte er eine brennende Kälte, die ihn durchströmte und ihn schließlich in die Dunkelheit riss. Am nächsten Morgen fand man Toms leblosen Körper in seinem Bett, sein Gesicht zur Decke gewandt, die Augen vor Schreck geweitet.

Doch das Verschwinden der Schatten war nur der Anfang. Auf mysteriöse Weise verschwanden immer mehr Personen in der Stadt, als ob sie von den dunklen Kräften verschluckt worden wären. Bis heute lässt uns die Frage nach der Herkunft dieser lichtlosen Schatten erschaudern und wirft ein dunkles Rätsel auf: Was passiert, wenn unsere Schatten beginnen, ein Eigenleben zu führen?

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