Es war ein stürmischer Herbstabend. Vor dem Fenster tanzten die herabfallenden Blätter im Wind ihr stummes Ballett. Alex saß sinnend vor seinem großen Monitor, der sein unaufgeräumtes Zimmer gekonnt ausleuchtete. Normalerweise war er mutig, dachte er. Doch irgendwie konnte er sich nicht überwinden, seinen Beitrag für das Uni-Projekt fertigzustellen.
Es war eine einfache Aufgabe. Er sollte die Legende rund um das Grab in der Nähe der Bibliothek recherchieren und seine Ergebnisse dokumentieren. Alex hatte sich geweigert, an solchen Flausen wie Gespenstergeschichten oder Legenden zu glauben. Dennoch fesselte ihn etwas an dieser Geschichte, etwas, das ihn gleichermaßen anzog und abstieß.
Die Geschichte ging, dass jedes Jahr um 12 Uhr Nachts am Mitternachts des 31. Oktobers, ein großer dunkler Schatten über dem besagten Grab schwebt. Niemand sicher sagen, wessen Grab es war. Alle Unterlagen zu diesem Grab waren auf mysteriöse Weise verschwunden.
Alex beschloss, mit seinen Recherchen am nächsten Morgen fortzufahren. Doch irgendetwas zog ihn an. Er hatte das unerklärliche Verlangen, das Grab um Mitternacht zu besuchen. Trotz der widerstreitenden Gefühle, schnappte er seine Taschenlampe und machte sich auf den Weg zur Uni.
Die Kälte der Nacht und das Rauschen der Blätter konnten ihn nicht aufhalten. Als er die Bibliothek passierte, fühlt er die Kälte in seinen Knochen. Die große Eiche, der alte Verwalter des Grabes, stand da und schüttelte bedrohlich seine Zweige. Genau um Mitternacht erreichte er das Grab. Nichts. Kein Schatten, nur das grab seiner Studien.
Alex atmete aus. Vielleicht war all der Mummenschanz wirklich nur eine gut erfundene Geschichte. Er schloss seine Augen und lauschte dem Duell des Windes und der Blätter. Plötzlich spürte er eine tiefe, klirrende Kälte, die ihn durchströmte. Angst kroch seinen Rücken hoch und ließ seine Haare zu Berge stehen. Als er seine Augen öffnete, erstarrte er.
Ein gigantischer Schatten, massiver und dunkler als deiner Nacht selbst, schwebte über dem Grab. Ein Gefühl der Bedrücktheit und Einsamkeit erfüllte die Luft. Alex konnte nichts anderes tun, als zu starren. Er konnte sich nicht bewegen, nicht blinzeln, nicht einmal seine Atmung wahrnehmen. Er stand einfach da, wie ein eisernes Denkmal, hypnotisiert von der Macht des Schattens.
Dann, genau so plötzlich wie er erschienen war, schrumpfte der Schatten und verschwand. Der Wind ließ nach, und die Stille schlängelte sich direkt in Alex‘ Ohren. Er stand immer noch bewegungslos da und versuchte, die geisterhafte Vision zu verarbeiten. Der Drang, das Geheimnis zu ergründen, hatte der Furcht Platz gemacht. Mit kalten Fingern zog er seine Handykamera hervor, doch rutschte ihm das Gerät aus der Hand. Als wäre es mit Absicht geschehen, verriet ihn das klirrende Geräusch und in dem Moment gellte ein ohrenbetäubender Schrei durch die Nacht.
Alex nahm seine Beine in die Hand und rannte, sein Herz pochte wie wild während er die Geister der Vergangenheit hinter sich ließ. Zitternd und außer Atem erreichte er sein Zimmer, und das klirrende Lachen des Schattens hallte noch lange in seinem Kopf nach.
Die Aufgabe, die einst so leicht erschien, war jetzt mit einer Aura des Geheimnisses und des Grauens umhüllt. Doch längst war es nicht mehr nur eine Aufgabe, es war eine Begegnung mit dem Unerklärlichen, die ihn bis in seine Träume verfolgen würde.