jeden Tag eine Geschichte
Nacht über dem Abgrund

Nacht über dem Abgrund

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Als Tom seine Augen öffnete, wurde er von vollkommener Dunkelheit umgeben. Er konnte sich an nichts erinnern. Wo war er? Wie war er hierhergekommen? Seine Hände fanden nur kühlen, feuchten Stein und leere Luft vor sich.

Behutsam erhob er sich, nur auf das Gefühl seiner unheimlich tiefen Umgebung angewiesen. Es herrschte absolute Stille, nur sein eigener Atem und das Pochen seines Herzens in seinen Ohren störten die Stille.

Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, tastete sich langsam voran, immer in der Angst, einen Fehltritt zu tun und in die Dunkelheit zu stürzen. Was war das für ein Ort?

Plötzlich vernahm er ein Geräusch. Es war schwach und kaum wahrnehmbar, aber es war unbestritten dort. Ein Flüstern, das aus der Tiefe kam. Als ob jemand aus der Dunkelheit zu ihm sprach. Toms Herz schlug schneller, aber er blieb stehen. Hatte er sich das eingebildet?

Er lauschte angestrengt in die Dunkelheit, aber es war wieder still. Langsam ging er weiter. Das Flüstern wurde lauter. Es waren immer dieselben Worte, unverständlich, aber drängend und gequält. Sie schienen wie ein Ruf aus dem Nichts, eine verzweifelte Bitte um etwas Unbekanntes.

Toms Beine begannen zu zittern und seine Reaktion war das Laufen. Doch wohin sollte er laufen? Immer noch von dunkler Leere umgeben, konnte er nur hoffen, dass der Abgrund nicht zu nahe war.

Das Flüstern wurde lauter, es schien nicht nur aus der Ferne, sondern von überall her zu kommen. Es umringte ihn, schien ihn zu jagen und zu verspotten, in der Dunkelheit gefangen und ausgeliefert. Er stolperte, streckte seine Hände vor sich aus, doch bevor er den Boden berührte, war da plötzlich nichts mehr. Er fiel.

Das Flüstern endete abrupt als er fiel, doch es machte Platz für das furchteinflößende Rauschen der Dunkelheit unter ihm. In seinem Fall konnte er nur an das gedämpfte Geräusch des Windes denken, der an seinen Ohren vorbei fegte und das dumpfe Echo von seiner panischen Schreien, die in den Tiefen unter ihm verschwanden.

Die Dunkelheit verschluckte ihn komplett, jede Orientierung, jede Sicherheit. Es gab nur noch das Gefühl des Fallens, des furchtbaren, unendlichen Absturzes. Und dann, war da nur noch….nichts.

Als das Nichts verschwand, öffnete Tom erneut seine Augen. Er lag auf kühlem, feuchtem Stein. Vor ihm war nur leere Luft und unendliche Dunkelheit. Er konnte sich an nichts erinnern. Wo war er? Wie war er hierhergekommen? Und so begann erneut die nächste Nacht, Nacht über dem Abgrund.

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