jeden Tag eine Geschichte
Träume voller Schatten

Träume voller Schatten

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Max streckte die Hand aus, tastete nach dem schlummernden Smartphone auf dem Nachttisch. Er entsperrte es und starrte auf die drei Uhr morgens auf dem Bildschirm. Wieder einmal hatte er diesen Traum gehabt, den Traum von den Schatten. Dunkle Figuren, die ihm nachstellten, ihn jagten und ihn kurz vor seinem Erwachen erreichten.

Er setzte sich auf, rieb sein Gesicht und fragte sich, warum er diesen wiederkehrenden Traum hatte. Was war der Grund? Er fühlte sich körperlich und geistig ausgelaugt, konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal eine ruhige Nacht verbracht hatte.

Er ging in die Küche, hoffend, dass der heiße Kamillentee seinen Geist beruhigen und ihm erlauben würde, wieder in einen ruhigen Schlaf zu sinken. Aber als er die Augen schloss, waren die Schatten wieder da, lauerten in den Ecken seines Verstandes.

Auf dem Weg zurück zum Schlafzimmer, schenkte er dem alten Familienspiegel im Flur keine Beachtung. Bis er sich darin sah, oder besser, die vielen Schatten, die hinter seinem Spiegelbild standen. Er blinzelte, rieb sich die Augen, doch sie waren immer noch da, flüsterten in einer unverständlichen Sprache, streckten ihre dunklen Hände nach ihm aus.

Er stand steif vor Angst, wagte nicht sich zu bewegen. Er wusste, wenn er sich umdrehte, wäre nichts da. Es waren die Schatten aus seinen Träumen. Sie waren nicht real. Oder doch? Der kalte Griff der Angst kroch seinen Rücken hinunter. Er drehte sich um, stürmte in sein Schlafzimmer, verriegelte die Tür und kauerte sich auf den Boden.

Max dachte, er wäre jetzt sicher. Er hatte die Schatten in seinen Träumen immer für Einbildung gehalten. Aber was, wenn es nicht nur Träume waren, sondern Botschaften? Warnungen? Er zog seine Beine an seine Brust und schloss die Augen, hoffend sie würden verschwinden.

Die ganze Nacht hörte er dieses unverständliche Flüstern und sah durch die geschlossenen Augenlider die dunklen Gestalten, die geduldig vor seiner Zimmertür warteten. Als der Morgen kam, fühlte er sich wie tot, konnte aber nicht einschlafen. Die Schatten lauerten immer noch dort draußen.

Max entschloss sich, einen Psychiater aufzusuchen. Er erzählte ihm von den Träumen, von den Schatten, der Angst und auch vom Spiegel. Der Arzt hörte aufmerksam zu, machte Notizen, nickte an den richtigen Stellen. Dann verschrieb er ihm Schlaftabletten und sagte, er solle einen guten Freund bitten, die Nacht mit ihm zu verbringen. Max tat, wie ihm befohlen. Der Freund kam, sie sahen sich einen Film an und nachdem er die Schlaftablette eingenommen hatte, fiel Max in einen unruhigen Schlaf.

Als er aufwachte, war das Haus still. Sein Freund war weg. Auf dem Tisch fand er eine Notiz. „Ich kann das nicht“, stand darauf in zittriger Schrift. Er ging zur Tür und sah, dass der Spiegel weg war. Er hatte seinem Freund nicht erzählt, dass die Schatten aus dem Spiegel gekommen waren. Hatte er sie gesehen?

Max blieb allein, umzingelt von seinen unsichtbaren Häschern. Er fragte sich, was sie von ihm wollten. Warum verfolgten sie ihn? Und wenn sie real waren, konnten sie ihm dann wirklich etwas antun? Oder waren es wirklich nur Träume? Träume voller Schatten.

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