Als Tim die Augen öffnete, fand er sich in völliger Dunkelheit wieder. Nichts war zu sehen, nicht einmal den Ausdruck auf seinem eigenen Gesicht. Im ganzen Raum war kein Geräusch zu hören, außer das monotone Surren seines alten PCs.
Er hatte kurz vor Mitternacht, nach einem endlosen Dauersurfen im Internet, ein mysteriöses Link gefunden. Ein schwarzes Dokument ohne Namen, Autor oder Datum. Neugierig hatte er es angeklickt und einen schwarzen Screen erhalten.
Nachdem er versucht hatte, den PC neuzustarten, war das einzige, was er bekam, die Dunkelheit. Kein BIOS-Bildschirm, kein Bootvorgang, keine Fehlermeldung. Aber die Dunkelheit war nicht nur auf den Bildschirm begrenzt. Sie schien aus dem Bildschirm heraus zu strömen und den Raum zu füllen.
Seine Wohnung befand sich im fünften Stock eines alten Hochhauses, und von der umgebenden Stadt draußen war normalerweise immer ein mehr oder weniger starker Lichtschein zu sehen. Aber jetzt war da draußen nichts. Nur Dunkelheit.
Sein Handy hatte seinen Dienst eingestellt. Der Bildschirm blieb schwarz, egal wie oft er die Home-Taste drückte. Er tastete sich blind zur Tür, nur um festzustellen, dass sie sich nicht öffnen ließ. Fenster, gleicher Fall. Es war, als würde die Dunkelheit alles verschlucken, auch die Logik und Physik selbst.
Er versuchte sich zu beruhigen, sich zu überzeugen, dass es nur ein übermächtiger Stromausfall sein könnte. Bis er die Stimmen hörte. Leise Flüstern, kaum hörbar. Ein Raunen, das klang, als ob es aus unfassbarer Tiefe stammte. Er konnte die Worte nicht verstehen, es waren nur undeutliche Geräusche. Es war, als ob die Dunkelheit sprechen würde.
Es wurden mehr. Lauter. Schriller. Ein Klanggewirr, das ihn an den Rand der Verzweiflung brachte. Die Dunkelheit war nicht mehr nur eine Abwesenheit von sichtbarem Licht, es war ein lebendiges Wesen, das ihn bedrängte.
Angst durchflutete ihn. Was war hier los? Warum passierte das gerade ihm? Er versuchte zu schreien, doch seine Stimme verlor sich in der Dunkelheit, verschluckt von dem gleichen Nichts, das sein ganzes Leben zu verschlingen schien.
Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war das Gefühl, von der Dunkelheit erfasst und hinab in ihre unendlichen Tiefen gezogen zu werden. Dann war der Lärm plötzlich verschwunden. Er lag auf dem Boden, atemlos und verängstigt, das Zimmer so dunkel wie vorher.
Die Dunkelheit hatte ihn wieder freigegeben. Aber er war nicht der Gleiche wie vorher. Irgendetwas in ihm war verändert. Etwas war durch die Dunkelheit hindurch in sein Wesen gedrungen und hatte sich dort eingenistet, ein finsteres Etwas, das in den Tiefen seines Bewusstseins lauerte.
Tim blieb der Welt der Menschen, der Realität, wie sie einmal war, für immer entfremdet. Gefangen zwischen den Dimensionen, ein Besessener der Dunkelheit, war er fortan gezwungen, in ihrer Dämmerwelt zu existieren.
Niemand weiß, was mit ihm passiert ist. Nur das Eindringliche Flimmern auf seinem Bildschirm enthüllt die Spur einer tiefgründigeren, beängstigenderen Realität. Die Dunkelheit wurde entfesselt, und sie nimmt sich, was sie will.