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Das Geheimnis des schwarzen Wassers

Das Geheimnis des schwarzen Wassers

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Max schiebt die Palette und hält die Kamera mit zittrigen Händen fest. Der Livestream hatte Tausende von Zuschauern angezogen, die neugierig darauf waren, was die hochgeladene Karte zeigen würde. „X markiert die Stelle,“ sagt er, anspielen auf das gezeichnete X in der Mitte des Dorfteiches auf der Karte.

Er stochert mit seinem Paddel in das inkontinente schwarze Wasser, das unter der schwachen Laternenbeleuchtung kaum von der Nacht zu unterscheiden ist. Kurz darauf taucht eine Metalltruhe auf, die von prallen Armen und gefräßigem Moos umschlungen wird.

„Seht ihr das, Jungs?!“ ruft er triumphierend vor der Kamera und zieht die Truhe mit großen Anstrengungen in das Boot. Seine Kamera zittert, als er den rostigen Schloss aufbricht und den schweren Deckel öffnet.

Ein stimmloses Gemurmel unter den Zuschauern geht übergangslos in ein erschrecktes Schweigen über. Auf seinem Bildschirm sehen sie nur Schwärze, so dicht und schwer wie die finsterste Nacht. Max fährt mit der Hand durch den dunklen Sand, der die Truhe füllt. Aber anstatt von Kälte und Feuchtigkeit wird seine Haut von einer unerklärlichen Hitze gekitzelt.

Er zieht ein dunkles Kristall heraus, das das Laternenlicht aufsaugt und mehr Dunkelheit ausstrahlt, als es erzeugt. Ein zischender Flüstern füllt die Luft, und Max spürt eine schreckliche Veränderung. Sein spiegelbild in dem Kristall ist nicht mehr sein eigenes, sondern das eines verschwommenen, gesichtslosen Wesens.

Die Zuschauer bemerken die Verzerrung in der live Geschichtenerzählung, der Ton ist wie unter Wasser, die Bildqualität verschwommen und verzerrt. Sie schreiben besorgt in den Kommentarbereich, aber ihr virtuelles Geschrei wird von der Dunkelheit des Kristalls verschluckt.

Max‘ Körper ist wie von einem unsichtbaren Strick festgehalten. Seine Knochen werden auf Eiseskälte komprimiert, während seine Haut von brennender Hitze überflutet wird. Er versucht, den Kristall zu fallen zu lassen, aber er hat schon Wurzeln in seiner Haut geschlagen. Das Wesen im Kristall blickt jetzt heraus und seine grauen Augen ersetzen Max‘ blauen.

Die Zuschauer beobachten mit angehaltenem Atem, wie das namenlose Wesen die Kontrolle übernimmt. Sie haben den Livestream betreten, um eine Schatzsuche zu beobachten, jedoch sind sie unfreiwillige Zeugen eines Albtraums geworden.

Das Wesen blickt in die Kamera und ein schauerliches Lächeln ziert Max‘ Gesicht. Es streckt die Hand aus, um die Kamera zu berühren und die Stille wird von einem ohrenbetäubenden Schrei gebrochen. Der Schrei trifft die Zuschauer wie ein Faustschlag in den Magen, führt zu einem kollektiven Aufblitzen von panischer Furcht bevor der Livestream abrupt endet.

Ein ohrenbetäubendes Schweigen folgt. Tausende Zuschauer, eingefroren in ihren Zimmern, blicken auf ihre schwarzen Bildschirme. Im Dunkel des Raums warten sie. Einer nach dem anderen, sie sehen den Bildschirm ihrer Handys reflektierend in die Dunkelheit blicken und erkennen den Albtraum, der sie beobachtet.

Und da lag der Horror nicht an dem, was sie sahen, sondern an dem, was sie nicht sahen. Sie hatten das namenlose Wesen eingeladen; die Dunkelheit war jetzt ihr Gast. Und das ist das Geheimnis des schwarzen Wassers. Es geht weniger um das, was sich unter der Oberfläche verbirgt, sondern vielmehr um das, was es ins Bewusstsein bringt.

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