Ellis war ein beliebter und begabter Student an einer renommierten Universität. Ihn interessierten besonders die Bereiche der tiefkalten Kryogene und Kryonik. Er träumte davon, eine Kryokammer zu entwickeln, die Menschen und Tiere jahrelang konservieren konnte. Begeistert von der Vorstellung, die Grenzen des menschlichen Lebens auszudehnen, hing Ellis fast jede wache Minute in seinem Labor.
Eines Tages, Ellis‘ Prototyp war fast fertig, kam die schüchterne Jessy auf ihn zu. Sie fragte ihn, ob er einem ihrer kleinen Vögel helfen könnte. Der Vogel lag seit Tagen schwach in seinem Käfig, eine Krankheit hatte ihn befallen. Mit einem optimistischen Lächeln nahm Ellis den Vogel an und schaffte es schließlich, sein Leben in der ersehnten Kältekammer zu konservieren.
Wochen vergingen und das Gerät funktionierte einwandfrei. Die Information sickerte in die Studentenmasse durch und Ellis erhielt immer mehr Anfragen. Ob einmal das Kuscheltier der Kindheit erhalten werden sollte oder der besondere Goldfisch, mit dem man aufgewachsen war – von Zeit zu Zeit bediente er die Anfragen seiner Kommilitonen und sie waren begeistert. Es war der Anfang seiner Erfolgsgeschichte.
Eines Tages jedoch bekam er über seine Website eine anonyme Anfrage, die sein Blut zu Eis fror. Es war kein Tier, sondern ein Mensch. Der anonyme Antragsteller wollte seine sterbende geliebte Mutter konservieren lassen.
Ellis lehnte anfangs ab. Doch dann ergriff ihn die Neugier und die unstillbare Lust, die Grenzen seiner Erfindung zu erkunden. Die Anonymität der Anfrage ließ Raum für seine experimentellen Gelüste, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Ein paar Nächte später fand sich Ellis in einer zwielichtigen Gasse wieder. Er traf den anonymen Antragsteller, der keine Worte verschwendete und ihm lediglich eine schwere Kiste übergab. In dieser Kiste fand Ellis eine Frau, bereits kalt und leblos. Mit zitternden Händen lud er die Kiste in seinen Lieferwagen und fuhr zurück ins Labor.
Die nächsten Stunden verbrachte Ellis damit, den menschlichen Körper in die Kältekammer zu bringen. Sein Herz raste, als er die Temperaturkontrolle auf ein Niveau herunterfuhr, das noch nie zuvor getestet worden war. Dann schloss er die Tür.
Wochen vergingen und nichts veränderte sich. Die Temperaturen hielten, die Frau war konserviert. Doch Ellis‘ Frieden hielt nicht lange an. Eines Nachts fand er in seiner Mail eine weitere anonyme Nachricht.
Der Antragsteller forderte ihn auf, die Konservierung zu beenden und ihm seine Mutter zurückzugeben. Nichts erschreckte Ellis mehr als diese Nachricht. Verwirrt und ängstlich zögerte er, doch das beharrliche Rattern in seiner Mailbox ließ ihm keine andere Wahl.
Ellis ging in sein Labor und öffnete die Kältekammer. Die kalte Luft strömte aus dem Inneren und nahm beinah seinen Atem. In der Kälte lag die Frau, ihr Körper intakt, ganz wie an dem Tag, als sie Ellis übergeben wurde. Mit zitternden Händen zog er sie aus der Kammer. Doch als ihre Augen sich öffneten und sie leise nach ihrer verlorenen Seele weinte, blieb ihm das Herz stehen.
Ellis gelang etwas Unglaubliches. Doch der Preis, den er dafür zahlte, wurde ihm erst jetzt klar. Er hatte nicht nur die Grenzen des menschlichen Lebens ausgedehnt, sondern auch das Leid der sterblichen Seele. Wie lange würde sie in dieser Qual aushalten? Wie würde die Geschichte enden? Von dem Tag an lebte Ellis in ewiger Furcht und Schaudern, gefangen in der frostigen Umarmung seiner eigenen Schöpfung.