jeden Tag eine Geschichte
Gefrorene Schreie

Gefrorene Schreie

1892

Mitten in der Nacht erwachte Kevin durch das leise Klirren von Eisblöcken. Er war gerade in sein Apartment in einem neugebauten Hochhaus in Los Angeles gezogen. Das waren wohl die ersten Anzeichen seiner schlaflosen Nächte – Das war die Theorie, die er entwickelte, um seinen Verstand zu beruhigen.

Die Nächte wurden immer kälter, so kalt, dass er jeden Atemzug visualisieren konnte. Zustz zu dem eisigen Lärm kamen angstschweißdurchtränkte Schreie hinzu, welche seine Nächte zur endlosen Qual werden ließen. Eine unerklärliche Stimme, die tagtäglich auf genau 03:13 Uhr ihn aus dem Schlaf riss.

Kevin entschloss sich dazu, den Ursprung des Schreiens zu ergründen. Eines Nachts, pünktlich um 3:13 Uhr, folgte er dem Laut, der nun mehr flüsterte, um nicht der Bodenlose Schrei zu sein, der ihn so zerrüttelte. Die Verzweiflung, die in dem leisen Flüstern mitschwang, führte ihn zu seinem Gefrierschrank.

Alles an dieser Situation war widernatürlich. Ein Gefrierschrank mitten in der Nacht, der Kälte und Verzweiflung ausstrahlte, als die tiefsten Tiefen des Winters selbst. Er öffnete vorsichtig die Tür, der kalte Nebel umschlang seine Finger und in einem Augenblick, einfrieren der Zeit, hörte er den Schrei, klar und deutlich, als komme er aus dem Inneren der Maschine. Ein Ausdruck von Schmerz und Verzweiflung so grausam, dass selbst die eisigen Temperaturen warm erschienen.

Zurückgeworfen durch den verblüffenden Klang machte er einen furchtbaren Fund. Ganz unten, verborgen unter Eiscremeverpackungen und Tiefkühlkost, ein Menschenkopf. Das Gesicht verzerrt von Schmerzen und Terror, der Mund weit geöffnet.

Sofort rief Kevin die Polizei. Geschockt starrte er auf den Kopf, dessen Stimme sich immer noch durch sein Gehirn hallte. Als die Beamten ankamen, war der Kopf verschwunden. Kevin versuchte die Polizei zu überzeugen, dass er keinen schlechten Scherz gemacht hatte, aber seine Worte fielen auf taube Ohren. Sie verwarfen den Fall als einen Alptraum.

Ein weiterer Umzug später fand das Grauen wieder seinen Weg zu ihm. Das nächste Apartment, der nächste Gefrierschrank, das wiederholen des endlosen Zyklus. Das schreiende Echo, das immer wieder um 03:13 Uhr ertönte und ein Gesicht, eingefroren in Schrecken. Und jedes Mal, wenn die Polizei kam, verschwand der Kopf in Luft, ebenso wie Kevins Verstand.

Bis heute weiß Kevin nicht, wer ihm diese nächtlichen Alpträume schickt oder warum. Aber jeden Tag, wenn die Uhr 03:13 Uhr schlägt, verspürt er eine Kälte, tiefer als der eisigste Winter und einen Schrei, der selbst seinen Verstand einfriert.

Der Schrei, eingefroren in abgrundtiefer Verzweiflung, hallt immer wieder in seinem Kopf wider, erfreut sich an seiner Furcht und treibt ihn in den Wahnsinn. Der Fluch des Gefrierschranks – die gefrorenen Schreie – ist sein täglich residenter Horror.

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