jeden Tag eine Geschichte
Die Stimme aus dem Jenseits

Die Stimme aus dem Jenseits

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Millie saß auf ihrem Bett, das Smartphone fest in der Hand geklammert. Es glich jedem anderen Teenager-Zimmer – ein Chaos aus Kleidungsstücken, Schulbüchern und Make-up, doch ein Detail war auffällig. Eine alte Radioantenne, an der Ecke an die Wand montiert, deren Kabel direkt in ihr Smartphone führte.

Seit Tagen beschäftigte sie sich mit einer App namens „BeyondTalk“. Angeblich konnte man damit Stimmen aus dem Jenseits empfangen. Zuerst hatte sie es nur aus Neugier ausprobiert, nachdem sie von Freunden darüber gehört hatte. Doch als sie die erste flüsternde Stimme über die Lautsprecher ihres Handys hörte, war sie gefesselt. Die Stimmen murmeln Unverständliches, brachen ab und fingen von Neuem an. Es hatte etwas gespenstisch Faszinierendes.

Doch heute Nacht war es anders. Eine Stimme sprach klar und verständlich: „Suche nach Elden Rose“. Sie wiederholte es immer wieder, immer dringender. Millie war verunsichert. Wer war Elden Rose? Eine schnelle Internetsuche enthüllte, dass Elden Rose der Name eines kleinen Jungen war, der vor zwanzig Jahren in ihrer Stadt verschwunden war. Niemand hatte jemals herausgefunden, was mit ihm passiert war.

Millie konnte nicht schlafen. Sie war von der Stimme und der Geschichte hinter dem Namen fasziniert. Am nächsten Tag, nach der Schule, suchte sie noch mehr nach Elden Rose. Sie stöberte in alten Zeitungsartikeln und durchstöberte lokale Archive. Allmählich zeichnete sich ein Bild ab: Ein geliebter kleiner Junge, der spurlos aus dem heiteren Himmel verschwand. Keine Zeugen, keine Anhaltspunkte, kaum Ermittlungen.

Aber eine Information stach hervor: Elden Rose verschwand an seinem siebten Geburtstag, und der Platz seines Verschwindens war ein verlassener Spielplatz am Rande der Stadt – ein Ort, an den sie als Kind selbst häufig gegangen war.

Zögerlich nahm sie ihr Smartphone mit der BeyondTalk-App und ging dorthin. Der verlassene Spielplatz war überwachsen, von Unkräutern durchzogen und schien seit Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein. Sie schaltete die App ein und wartete. Zuerst hörte sie nur das gewöhnliche Murmeln, doch dann kam die Stimme zurück: „Suche nach Elden Rose“.

Sie schaute sich um und entdeckte eine kleine Rose, die sich das Leben aus dem Boden am Rande des Spielplatzes erkämpft hatte. Sie kniete hin und hob vorsichtig die Blätter am Boden an. Dort, versteckt unter der Erde, fand sie das, was sie nie erwartet hätte zu finden: Eine kleine Holzkiste, verwittert und feucht, und darin ein handgeschriebener Brief und ein Foto von Elden Rose.

Es war ein Abschiedsbrief, voller kindlicher Unschuld und dem Wunsch, von einer bösen Welt zu fliehen. Elden verschwand nicht auf tragische Weise; er hatte sich entschieden, fortzugehen und ein Abenteuer zu suchen. Die Stimme aus dem Jenseits war Elden selbst, der seiner Geschichte Gehör verschaffen wollte.

Millie kontaktierte sofort die Polizei. Die Geschichte des verschwundenen Jungen wurde endlich geschlossen, seine Eltern erhielten die Gewissheit, dass ihr Sohn nun in Ruhe war. Und Millie, sie hatte ihre Bestimmung gefunden, die Stimmen aus dem Jenseits zu hörbar zu machen – die Geschichten der Missverstandenen und Verlorenen zu erzählen, und den Unruhigen Ruhe zu verschaffen.

Die Stimme aus dem Jenseits hat nach Millie gerufen für Elden Rose. Doch wie viele Stimmen ruhen noch ungehört in der Stille des Jenseits?

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